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'Zivilcourage' ist in den vergangenen Jahren zu einem Schlagwort in den Sonntagsreden von Politikern verkommen. Angesichts der dramatisch zunehmenden Übergriffe von Neonazis auf Ausländer und Menschen, die wie Ausländer aussehen, wird den Bürgern couragiertes Handeln als wichtige Tugend vorgestellt. Plötzlich sollen Bürger wieder richten, was Politiker vorher mit angerichtet haben, indem sie die Neonazis über Jahre haben gewähren lassen. Wolfgang Heuer untersucht in seiner Studie, wie couragiertes Handeln entsteht, welche Menschen dazu in der Lage sind, welche Eigenarten sie auszeichnen, welchen Habitus sie an den Tag legen und worin sie sich von anderen Menschen unterscheiden. Empirische Basis seiner Arbeit sind viele Interviews mit Menschen, die sich durch couragiertes Handeln hervorgetan haben. Die Resultate sind für politische Prediger ernüchternd: Couragiertes Handeln ist wenig rational gesteuert, sondern geschieht überwiegend intuitiv, gelegentlich impulsiv, im Rahmen einer habi tuellen Struktur, die sich im Laufe eines Lebens herausgebildet und den Handelnden einen Fundus von Erfahrungen und Sicherheiten gegeben hat. Couragierte Menschen handeln nicht nach festgelegten Normen oder weil eine plötzlich zur höchsten Tugend erklärte Norm namens Zivilcourage ein bestimmtes Handeln von ihnen verlangt, sondern eher, um eine innere Balance herzustellen. Couragiertes Handeln liefert einen wichtigen Beitrag dazu, Schlagwörter in der Politik aufzulösen und den Handelnden selbst wieder einen zentralen Platz in der politischen Theorie einzuräumen.
About the author
Wolfgang Heuer, geboren 1949, studierte Geschichte, Germanistik und Lateinamerikanistik. Nach mehrjähriger Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit arbeitet er als verantwortlicher Redakteur des internationalen "Hannah Arendt Newsletter". Mit der Arbeit "Couragiertes Handeln" habilitierte er sich an der Freien Universität Berlin.