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Dieser Band versucht eine Irritation zu beschreiben, die ästhetische Produktionen immer wieder auszulösen vermag: Irritation über die paradoxe Bemühung, ein in jeder Hinsicht unvorhersehbares Ereignis herzustellen, eine nicht kalkulierbare Situation in berechneter Absicht zu produzieren. Dieses Paradox unterscheidet den ästhetischen Zufall elementar von anderen Zufällen, die sich ergeben und nicht gewollt sind. Die aktive Aufnahme von Zufallsverfahren läßt sich mehr oder weniger in allen Künsten und ihren Gattungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beobachten; seit Mallarmés Würfelwurf über Duchamps ready-mades bis zu Cages Kompositionsmethoden ist sie für Verfahrensweisen der Avantgarde geradezu charakteristisch. Über Zufallsverfahren geraten in Futurismus, Dada oder Surrealismus Texte in Bilder, werden traditionell unvereinbare Elemente collagiert oder montiert, werden ganze Narrationen durch ikonologische Fragmente unterbrochen und neu organisiert. Dieser Zerlegung, Auflösung und Neubesetzung von Formen und Verfahren der Einzelkünste korrespondiert eine Umbesetzung oder Neugewichtung des Zufalls in ganz anderen Disziplinen, eine Aufwertung von Zufallsfunktionen, die bisher noch kaum in einen Zusammenhang mit den genannten ästhetischen Prozessen gebracht worden ist.
List of contents
Grupen, Claus: Die Natur des Zufalls. Coy, Wolfgang: Berechenbares Chaos. Balke, Friedrich: Den Zufall denken. Maurach, Martin: ALEA er alii. Schulze, Holger: Das Modell der nichtintentionalen Werkgenese. Großmann, Rolf: Die Phantasie der kalkulierten Welt. Lommel, Michael: Schau-Spiel des Zufalls. Reck, Hans Ulrich: Aleatorik in der bildenden Kunst. Gendolla, Peter: Erdbeben und das Feuer. Wagner, Benno: Vom Zufall in der Versicherung, Mythos und Literatur. Dotzler, Bernhard J.: Die Swift-Maschine. Riha Karl: Literatur und Zufall. Kamphusmann, Thomas: Text als Zufall
About the author
Peter Gendolla (Prof. Dr. phil.) is Professor of Literature, Art, New Media and Technologies and Director of the Research Center »Media Upheavals« at the University of Siegen.
Thomas Kamphusmann, geb. 1961; vor dem Studium der Germanistik Arbeit als Krankenpfleger, promovierte an der Uni/GH Siegen; arbeitet momentan am Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik im Bereich Wissens- und Dokumentenmanagement.
Summary
Dieser Band versucht eine Irritation zu beschreiben, die ästhetische Produktionen immer wieder auszulösen vermag: Irritation über die paradoxe Bemühung, ein in jeder Hinsicht unvorhersehbares Ereignis herzustellen, eine nicht kalkulierbare Situation in berechneter Absicht zu produzieren. Dieses Paradox unterscheidet den ästhetischen Zufall elementar von anderen Zufällen, die sich ergeben und nicht gewollt sind. Die aktive Aufnahme von Zufallsverfahren läßt sich mehr oder weniger in allen Künsten und ihren Gattungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beobachten; seit Mallarmés Würfelwurf über Duchamps ready-mades bis zu Cages Kompositionsmethoden ist sie für Verfahrensweisen der Avantgarde geradezu charakteristisch. Über Zufallsverfahren geraten in Futurismus, Dada oder Surrealismus Texte in Bilder, werden traditionell unvereinbare Elemente collagiert oder montiert, werden ganze Narrationen durch ikonologische Fragmente unterbrochen und neu organisiert. Dieser Zerlegung, Auflösung und Neubesetzung von Formen und Verfahren der Einzelkünste korrespondiert eine Umbesetzung oder Neugewichtung des Zufalls in ganz anderen Disziplinen, eine Aufwertung von Zufallsfunktionen, die bisher noch kaum in einen Zusammenhang mit den genannten ästhetischen Prozessen gebracht worden ist.