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Heute sind Schiefertafel, Griffel und Schwamm längst durch Bleistift, Füller und Tintenkiller abgelöst, sind zu belächelten Exponaten des Schulalltags anno dazumal geworden. Und doch ist es noch gar nicht so lange her, dass die ABC-Schützen mit dieser Ausstattung ihre schulische Laufbahn begannen! Im 19. Jahrhundert war es für die Verleger deshalb ein durchaus naheliegender Schritt, den Kindern Lern- und Unterhaltungsmaterial in dem ihnen vertrauten Medium anzubieten - als Schiefertafel-Bild.
Verschiedene Verleger experimentierten mit dieser Darstellungsweise, meist in Form von lithographierten weißen Bildern auf schwarzem Grund. Diese Schiefertafel-Bilder bildeten Gegenstände des täglichen Lebens ab, griffen die naheliegende pädagogische Thematik der Tafeln auf - etwa durch ein ABC -, oder versuchten zum Zeichnen auf der eigenen Schiefertafel anzuregen.
Die 1851 publizierten 24 Lithographien der "Schiefertafel-Bilder zu deutschen Kinderliedern" setzen Texte aus der Sammlung "Des Knaben Wunderhorn" (1808) von Achim von Arnim und Clemens Brentano sowie aus dem "Deutschen Kinderbuch" (1848) von Karl Simrock in eine ganz eigene, zarte Bildsprache um. Die kleine Sammlung enthält Wiegenlieder, Kniereiter, Tanzliedchen und Reime, berücksichtigt bei der Auswahl also die verschiedenen kindlichen Entwicklungsstufen. Besonderen Reiz gewinnen die Bilder von Eduard Wilhelm Engelmann und dem nicht zu verifizierenden Künstler O.E. durch den jeweils angedeuteten Holzrahmen, der eine richtige Schiefertafel vorspiegelt. Der kindlichen Erfahrungswelt des 19. Jahrhunderts sicher nicht fern ist auch das letzte Bild: auf einer zerbrochenen Tafel wie im Trotz zu Ende gezeichnet.
Ihren schon im 19. Jahrhundert besonderen Reiz gewannen diese filigranen Schiefertafel-Bilder aus der Verbindung von Text, zeichnerischem Können und aparter Ausstattung - die vorliegende Ausgabe bietet die Gelegenheit, diese kleinen Kunstwerke aus versunkenen Kinderwelten wieder zu entdecken.