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Obwohl die Europöer die Erfinder des modernen Staates waren, gab es bisher keine gründliche Untersuchung von dessen europaweiten historischen Grundlagen, vergleichende Verfassungsgeschichte der Länder Europas. Deshalb verläßt dieses Buch die übliche nationalstaatliche Perspektive und versucht, die politischen Strukturen der europäischen Länder als Variante gemeinsamer Grundmuster darzustellen. Der statische, institutionengeschichtliche Verfassungsbegriff wird zu diesem Zweck durch den dynamischen Prozeßbegriff eines Wachstums der Staatsgewalt vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ersetzt. Das läuft auf eine Historische Anthropologie europäischer Politik hinaus, die den Zusammenhang der Institutionengeschichte mit zahlreichen Feldern der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte herausarbeitet und auch das politische Denken im Kontext der politischen Wirklichkeit behandelt.
Im Mittelpunkt steht die europäische Monarchie des Mittelalters und der Neuzeit, ihre Durchdringung des Landes mit Aneignung seiner Ressourcen, ihre Unterwerfung politischer Konkurrenten wie des Adels, der autonomen Gemeinden und der Kirchen, schließlich die Durchsetzung ihres äußeren und inneren Gewaltmonopols mit mancherlei Mitteln. Um 1800 ist der moderne Staat zwar fertig ausgebildet, aber die Staatsgewalt hat dank Demokratisierung und Nationalismus noch eine weitere Steigerung bis zum totalen Staat erlebt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings begannen weltweit ihr Zerfall und ihre Ersetzung durch überstaatliche Einrichtungen. So muß man die Geschichte der Staatsgewalt kennen, um ihre Zukunft im 21. Jahrhundet abschätzen zu können.
Das Buch ist deshalb wichtig für ein großes Publikum, das Historiker, Politikwissenschaftler, Juristen und historisch-politisch interessierte Leser umfaßt.
About the author
Wolfgang Reinhard, geboren 1937, ist Professor em. für neuere Geschichte in Freiburg. Er veröffentlichte Bücher zur Papstgeschichte, zur europäischen Expansion und zum Kolonialismus, zur historischen Anthropologie undzur Vergleichenden Verfassungsgeschichte Europas. Erwähnt sei besonders seine vierbändige "Geschichte der europäischen Expansion" (1983-1990).