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Die Freiheit, verstanden im Sinne von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, ist ein Wert, der in anderen Gesellschaften, allen voran den angelsächsischen, scheinbar einen anderen Stellenwert genießt als in Deutschland. Dieser These ist das Institut für Demoskopie in Allensbach nachgegangen und kam zu manch verblüffendem Ergebnis:
Während sich die ostdeutsche Bevölkerung insgesamt gegenüber dem Wert der Freiheit deutlich reservierter verhält als die Westdeutsche, ist die junge Generation der Unter-30jährigen in den neuen Bundesländern nicht nur freiheitsorientierter als ihre Eltern und Großeltern, sondern auch als ihre westdeutschen Altersgenossen.
Die Ergebnisse der Studie haben außerdem gezeigt, dass die Bevölkerung in Westdeutschland diesem Wert eine hohe Bedeutung beimisst. Untersucht man dann jedoch die persönliche Lebenseinstellung der Bevölkerung etwas genauer, lässt man dem Einzelnen die Wahl zwischen Freiheit, Gleichheit oder Sicherheit, fällt die Entscheidung oft zu Ungunsten der Freiheit aus. Dabei ist festzustellen, dass es im Westen kaum Unterschiede zwischen der jungen und älteren Generation gibt. Die Konsequenzen, die sich aus Freiheit ergeben - Eigenverantwortung, die Notwendigkeit Risiken einzugehen, die Möglichkeit des Scheiterns, die Notwendigkeit anderen Menschen zu vertrauen - zu akzeptieren, fällt vielen Deutschen anscheinend schwer.
Daraus resultieren folgende Fragen: Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn sie die Risiken der Freiheit scheut? Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung einer Gesellschaft? Welche Rolle spielt sie heute für die Deutschen und, soweit schon erkennbar, für die Zukunft? Insgesamt wird deutlich, dass es nicht zuletzt von der Auffassung der Freiheit abhängt, ob die Deutschen die Probleme des Landes mit Optimismus, Energie und Kreativität werden lösen können.
About the author
Dr. phil. Thomas Petersen studierte Publizistik, Alte Geschichte und Vor- und Frühgeschichte in Mainz. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Demoskopie Allensbach und seit 1999 National Representative der World Association for Public Opinion Research für Deutschland.
Tilman Mayer, geboren 1953 in Freiburg i.Br., studierte u.a. Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik an der Universität Freiburg, Abschluss: Magister Artium. Er promovierte an der Universität Würzburg, habilitierte ebenda. Von 1989 bis 1993 war er Leiter eines zeitgeschichtlichen Forschungsprojekts in der Jakob-Kaiser-Stiftung in Königswinter. Von 1993 bis 1995 war er Leiter des Bonner Büros des Instituts für Demoskopie Allensbach. Seit 1997 hat er verschiedene Gastprofessuren inne. 2001 folgte der Ruf auf die Bonner Professur für Politikwissenschaft. Seit 2007 ist Tilman Mayer Vorsitzender der Gesellschaft für Deutschlandforschung, seit 2009 stv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft, seit 2010 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Demografie. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Politische Kulturforschung und Demoskopie, Politische Demographie, Vergleichende Deutschlandforschung. Professor für Politische Theorie, Ideen- und Zeitgeschichte am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.
Summary
Was verstehen die Deutschen unter "Freiheit"? Ist die Freiheit von sozialer Not gemeint oder die Freiheit, tun und lassen zu können, was man will, oder geht es vielmehr um Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, die eigenverantwortlich ausgeübt wird? Und wie ist der Wert der Freiheit, wenn sie mit anderen Werten wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Sicherheit in Wettbewerb tritt, und was hat Freiheit mit Vertrauen oder Glück zu tun?
Dies sind Fragen, denen die Autoren u.a. anhand von Allensbacher Umfrageergebnissen nachgehen - mit überraschenden Resultaten: Die unter 30jährigen in den neuen Bundesländern erweisen sich als aktiver, selbständiger und freiheitsorientierter als ihre Altersgenossen im Westen. Insgesamt wird deutlich, daß es nicht zuletzt von der Auffassung von Freiheit abhängt, ob die Deutschen die Probleme des Landes mit Optimismus, Energie und Kreativität werden lösen können.