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Die berufliche Perspektive in Deutschland war 1932 für den Architekten Rudolf Wolters aussichtslos. Lediglich ein Angebot aus der Sowjetunion hatte ihm Arbeit in Aussicht gestellt. Im Mai 1932 reiste er mit einem Vertrag des Volks kommissariats für Verkehrsfragen in Moskau als Experte für den Entwurf von Fernbahn höfen in die Sowjetunion . Ein Jahr lang arbeitete er hauptsächlich in Sibirien . Nur wenige Monate nach seiner vorzeitigen Rückkehr im Frühjahr 1933 veröffentlichte Wolters diesen Reisebericht über seine Ein drücke im ersten sozialistischen Staat. Er beschreibt die Ambivalenz von Realität und Hoffnung sowie der Erkenntnis vom frühen Scheitern einer Idee, die Menschen zerbrach und vernichtete. Seine Schilderungen sind jedoch keine hochmütig hämische Abrechnung, sondern eine genaue Beobachtung von Propaganda und gesellschaftlichen Strukturen. Rudolf Wolters war einer von mehreren Tausend ausländischen Spezialisten , die zu Beginn der Dreißigerjahre in die Sowjetunion geholt wurden, um die Rückständigkeit gegenüber dem Westen im Eiltempo aufzuholen. Doch nur Wolters machte seine persönlichen Erfahrungen öffentlich. In den Folgejahren wurde er zum engsten Mitarbeiter seines ehemaligen Studienfreunds Albert Speer und damit zu einem einfluss reichen Architekten im Arbeitsstab von Adolf Hitler. Das Buch war zum Zeitpunkt seiner Erscheinung 1933 ein Erfolg. Die Neuausgabe ist ein Dokument - ein Dokument der frühen Dreißiger jahre in der UdSSR , jener Phase großer Umbrüche in Gesellschaft und Kultur.
About the author
Jörn Düwel, Architekturhistoriker, lebt in Wiesbaden und ist an mehreren Projekten zur Aufarbeitung der Architekturgeschichte in der SBZ und DDR beteiligt.§