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Neue Texte von Rainer Schulze: Waren es in seinem so überraschend gut von einem scheinbar übersättigten Publikum angenommenen ersten Buch satirische Gedichte, so überrascht er nun seine Leser erneut: Erzählungen sind es, die er vorlegt. Dabei geht er aber nur scheinbar fremd, denn die Satire ist es, der er treu bleibt. Eigendorff sein Held ist eigentlich ein Antiheld. Es gibt keinen Grundsatz, den er nicht auch aufgeben würde, wenn es ihm einen Nutzen einbrächte, keine Frau, der er nicht wenigstens einmal taxierend nachsieht, keine Gelegenheit, seine Freunde anzuschwärzen, die er nicht nutzen würde. Und wenn er sich vor einer Party mittels Yoga-Übungen darauf vorbereitet, dem Alkohol fernzubleiben und sich nicht verlocken zu lassen, so kann man sicher sein, daß er am Ende Seemannslieder singen wird, wieder einmal abgefüllt von seinem Lieblings-Aquavit. Und dennoch: dieser Eigendorff findet unsere Sympathie, er ist uns nicht fremd. Sind wir ehrlich mit uns, so entdecken wir bei ihm unsere Züge. Und gestehen wir uns das nicht ein, so finden wir wenigstens die Züge der Nachbarn und Freunde wieder. Insofern schreibt Schulze hier nicht nur Literatur, er hilft uns auch, kritisch in uns zu gehen.