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Schnörkellos, sarkastisch und frei von jedem Selbstmitleid führt der Autor den Leser direkt in das Land der Schmerzen. Zwischen 1887 und 1895 notiert Alphonse Daudet in atemberaubender Sprache, deren Modernität mehr als überrascht, das Endstadium seiner Syphilis. Der brillante Text ist sehr viel mehr als bloße Selbstbeobachtung, er ist eine metaphysische Betrachtung des Schmerzes, eine Auseinandersetzung mit einem unausweichlichen Prozeß. Grundsätzliches mischt sich jedoch mit Anekdotischem, und so begegnen einem wie beiläufig in diesen Aufzeichnungen Daudets Schicksalsgenossen wie Baudelaire oder Jules de Goncourt. Ist der erste Teil dieses Kleinods an Sarkasmus, an Bedingungslosem kaum zu überbieten, trifft man im zweiten Teil auf einen Hauch von Zauberberg. Die Gäste in den Kurorten Néris und vor allem im südfranzösischen Lamalou - Zentren der vermeintlichen Behandlung von Knochenmarkerkrankungen - werden in einer Weise beschrieben, die dem Autor der Burleske Tartarin von Tarascon alle Ehre macht. Doch immer wieder treten das Vergebliche eines Kampfes gegen den Schmerz, die Etappen des körperlichen Verfalls in Bildern in den Vordergrund, die an Genauigkeit, Klarheit und Schärfe ihresgleichen suchen. Und zwischen den Zeilen schimmert eine fast ungebrochene, unbändige Schaffenskraft eines Wortkünstlers auf, der mit Hilfe von Morphium und Chloral immer wieder einige wenige Stunden schmerzfreien Daseins zum Schreiben nutzt. Die einfühlsamen Texte - Einleitung, Nachwort, Anmerkungen - von Julian Barnes machen das Ganze zu einer literarischen Entdeckung.
Posthum - Daudet lebte von 1840 - 1897 - wurde das Buch erstmals 1930 unter dem Titel "La doulou" (La douleur) veröffentlicht. Eine Reedition erschien in Frankreich 2002 zeitgleich mit der englischsprachigen Erstveröffentlichung. Die Übertragung und die Begleittexte von Julian Barnes rissen die englische Presse zu Beifallsstürmen hin. Zwei von fünf Juroren der Kategorie bestes Buch des Jahres 2002 erkoren in Times Litterary Supplement Daudet, In the land of pain.
About the author
Alphonse Daudet, geb. 1841 in Nimes als Sohn einer verarmten Fabrikantenfamilie. 1857 zieht er nach Paris, wo seine literarische Karriere beginnt und er Zugang zu Pariser Salons erhält. Später wird er Privatsekretär des Herzogs von Momy, der ihm mehrere Reisen nach Südfrankreich, nach Algerien und 1863/64 nach Korsika ermöglichte. Daudet starb 1897 in Paris.
Julian Barnes, 1946 in Leicester, England, geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor. 2016 wurde er mit dem "Siegfried Lenz Preis" ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.