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Der 'Troubadour des Wissens' versteht sich als Grundlegung des Lernens und erzählt von den Mischformen des Wissens. Fremd und ursprünglich, schon aus den Genen seines Vaters und denjenigen seiner Mutter gemischt, als Drittes zwischen ihnen, entwickelt sich jedes Kind nur durch neue Kreuzungen weiter, und jede Pädagogik wiederholt die Zeugung und die Geburt eines Kindes: als Linkshänder geboren, lernt das Kind, sich der rechten Hand zu bedienen, bleibt dennoch Linkshänder und wird als Rechtshänder wiedergeboren, im Zusammenfluss der beiden Sinnrichtungen; der als Gascogner Geborene bleibt Gascogner und wird Franzose, aber eigentlich wird er Mischling; als Franzose macht er sich zu einem Spanier, Engländer oder Deutschen, wenn er diese neue Kultur und Sprache lernt und dennoch seine eigene bewahrt, nun ist er viertelblütig, gemischte Seele, gemischter Körper. Sein Geist ähnelt dem Mantel Harlekins.Diese Mischform, die jeder zuerst im Körper erfährt, wird zum Ideal jeder Erziehung, die nicht halbseitig gelähmt sein will. Der Mischling heisst hier 'unterrichteter, das heisst informierter und gebildeter Dritter (tiers-instruit)'. Von Natur aus eher wissenschaftlich orientiert, tritt der unterrichtete Dritte in die Kultur ein, weil die Wissenschaft die Fragen des Leidens und des Bösen beherbergt, ohne jene jedoch vorhersagen zu können. Es ist erforderlich, sich sowohl mit der exakten Vernunft als auch mit den ungerechten Übeln auseinanderzusetzen; daraus folgt die Freiheit zur Erfindung und damit auch diejenige des Denkens.
About the author
Michel Serres, geboren 1930 in Agen, ist ein französischer Mathematiker und Philosoph. Er absolvierte die École navale, um eine Laufbahn als Marineoffizier zu beginnen. Ab 1952 besuchte er die École normale supérieure, an der er 1955 seine Agrégation in Philosophie erhielt. Im folgenden Jahr trat er erneut in die Marine ein und fuhr jahrelang zur See. Serres ist seit 1969 Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Sorbonne und wurde 1984 parallel zum Professor an der Stanford University ernannt. Seit 1990 ist er außerdem einer der vierzig "Unsterblichen" der Académie française. 2012 erhielt Serres den "Meister-Eckhart-Preis" der Identity Foundation und der Universität zu Köln.
Karl Werner Modler, geboren 1968, lebt und unterrichtet Philosophie in Baden (Schweiz).
Summary
Der 'Troubadour des Wissens' versteht sich als Grundlegung des Lernens und erzählt von den Mischformen des Wissens. Fremd und ursprünglich, schon aus den Genen seines Vaters und denjenigen seiner Mutter gemischt, als Drittes zwischen ihnen, entwickelt sich jedes Kind nur durch neue Kreuzungen weiter, und jede Pädagogik wiederholt die Zeugung und die Geburt eines Kindes: als Linkshänder geboren, lernt das Kind, sich der rechten Hand zu bedienen, bleibt dennoch Linkshänder und wird als Rechtshänder wiedergeboren, im Zusammenfluss der beiden Sinnrichtungen; der als Gascogner Geborene bleibt Gascogner und wird Franzose, aber eigentlich wird er Mischling; als Franzose macht er sich zu einem Spanier, Engländer oder Deutschen, wenn er diese neue Kultur und Sprache lernt und dennoch seine eigene bewahrt, nun ist er viertelblütig, gemischte Seele, gemischter Körper. Sein Geist ähnelt dem Mantel Harlekins.
Diese Mischform, die jeder zuerst im Körper erfährt, wird zum Ideal jeder Erziehung, die nicht halbseitig gelähmt sein will. Der Mischling heisst hier 'unterrichteter, das heisst informierter und gebildeter Dritter (tiers-instruit)'. Von Natur aus eher wissenschaftlich orientiert, tritt der unterrichtete Dritte in die Kultur ein, weil die Wissenschaft die Fragen des Leidens und des Bösen beherbergt, ohne jene jedoch vorhersagen zu können. Es ist erforderlich, sich sowohl mit der exakten Vernunft als auch mit den ungerechten Übeln auseinanderzusetzen; daraus folgt die Freiheit zur Erfindung und damit auch diejenige des Denkens.