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Am Beispiel der frühen Hexenprozesse, die der Rat der westfälischen Hansestadt Lemgo zwischen 1583 und 1621 in über zwanzig Fällen führen ließ, untersucht die Studie Übereinstimmungen und Diskrepanzen zwischen der normativen Theorie der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina) und deren praktischer Umsetzung durch die Hexenrichter in der Gerichtsgemeinde einer kleinen Mittelstadt des Alten Reiches. Vor dem Hintergrund des territorialen Verfassungskampfes zwischen der Lemgoer Bürgerschaft und dem lippischen Landesherrn Graf Simon VI. um die autonome Handhabung der Blutgerichtsbarkeit zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird neben allgemeineren Entwicklungstendenzen wie Professionalisierung des Justizpersonals, Verwissenschaftlichung und Zentralisierung der Jurisdiktion exemplarisch die Funktion von Hexenprozessen für die Ausformung des frühmodernen Staates beleuchtet. Dabei geht es nicht zuletzt um die kritische Hinterfragung von Rechtfertigungsstrategien und -mythen, die Ankläger wie Verteidiger auf der Grundlage der Carolina entwickelten und im "rechtlichen Krieg" für ihre Ziele verfolgten. Ein ausführlicher Katalogteil dokumentiert jedes der 32 untersuchten Zauberei-, Injurien-, Wahrsager- und Meineidsverfahren von den sozialen Hintergründen der Ankläger und Beklagten über die einzelnen Stationen des Prozesses bis hin zu den vereinzelten Nachrichten über das weitere Schicksal der verfolgten Frauen und Männer.