Read more
Im Mai 1937, kurz nach ihrem 22. Geburtstag, verlässt die Buchhändlerin Alice Rosenthal (Liesel) ihre Heimatstadt Heilbronn und emigriert nach England. In den folgenden zwei Jahren wird sie der Empfehlung ihrer Eltern, endlich zu heiraten und ihre Interessen für die Bücher und die Kunst aufzugeben, nicht folgen. Sie wird in England langsam heimisch, findet Arbeit und Freunde, und stellt sich auf ihre eigenen Füße. Nun kann sie zunächst ihren Bruder Helmut und im Frühjahr 1939 auch ihre Eltern, den Vater Ludwig Rosenthal, einen konservativen jüdischen Heilbronner Weinhändler, und seine traditionell eingestellte Frau Hermine, aus Deutschland herausbringen. In diesen Jahren erlebt Liesel, gegen viele Widerstände, ihre Emigration: als Emanzipation.
Liesels Geschichte wird aus einem Bestand von ungefähr 400 Briefen rekonstruiert, die sie 1948, nach ihrer Heirat mit Walter Schwab in London, in Bündel geschnürt und in Kisten verpackt hat. Ihre Tochter, Rabbinerin und Baroness Julia Neuberger, hat dem Autor die Briefe übergeben. Er hat auf dieser Grundlage die individuelle Geschichte der Alice Schwab, geb. Rosenthal, nachgezeichnet, aber auch versucht zu zeigen, wie eine zeitgenössische Kulturwissenschaft mit solchen Dokumenten - von denen wohl noch viele in Bündeln verpackt und in Kisten versteckt auf ihre Entdeckung warten - einen Beitrag zum Verständnis der deutsch-jüdischen Geschichte und der Geschichte der Migrationen im 20. Jahrhundert leisten kann.
About the author
Joachim Schlör, geboren 1960 in Heilbronn, lebt in Berlin. Von 1993 bis 1999 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, bis November 2001 wiss. Assistent am Lehrstuhl Neuere Geschichte II, Universität Potsdam, derzeit Projektleiter "Kompetenznetz Jüdische und Rabbinische Studien", Universität Potsdam.