Read more
Die Anregung zu diesem Buch verdankt sich einem erstaunlichen Textbefund: Wer die klassischen Texte des Mönch- und Eremitentums sowie der Bettelorden oder spätantike und mittelalterliche Heiligenlegenden aufmerksam liest, stößt immer wieder auf latrones - auf outlaws, die mit Eremiten, Mönchen und Brüdern sowie mit der Gesellschaft insgesamt interagieren und sie provozieren. Die Tatsache, dass dieses latro-Motiv schon im Alten Testaments begegnet und Jesus auf Golgotha zwischen zwei latrones hingerichtet wird, macht es mehr als unwahrscheinlich, dass es sich bei diesem Motiv lediglich um ein rhetorisches Zubehör theologischer Texte handelt: Das Motiv entpuppt sich bei genauem Hinsehen als eine theologische Schnittstelle, auf der die Freiheitsbegabung des Menschen narrativ entfaltet wird. Der spiritualitätsgeschichtliche Rundgang der Habilitationsschrift untersucht latrologische Themen des Alten und Neuen Testaments, der anachoretischen Bewegung des Ostens und des frühen Mittelalters; er widmet sich dem Reformmönchtum sowie der mendikantischen Lebensform; er berücksichtigt die mittelalterliche Ikonographie; er nimmt latrologische Orte wie Gefängnisse, Leprosorien, Friedhöfe und Eremitenzellen in Augenschein. Als Ertrag der Arbeit darf man festhalten: Die latro-Eremiten-Texte sind ein Spiegel der Ambivalenz menschlicher Freiheit - in ihrer destruktiven Gefährdung (latro-Existenz) und in ihrem eschatologisch begründeten Gelingen.
About the author
Karl-Heinz Steinmetz, University of Vienna, Austria.
Summary
In contemplating depictions of the crucifixion, observers have generally overlooked an important provocative element: Jesus is put to death as a latro, an outlaw, between two other latrones. For this reason, references to latrones in the Bible, in Eremite and monastic texts, as well as in later Christian writings are more than a mere literary device. They offer a previously unexplored and underappreciated window into a theology of freedom.
Additional text
Bei der Betrachtung von Kreuzigungsdarstellungen übersieht man regelmäßig eine wichtige Provokation: Jesus von Nazareth als latro, als "Outlaw", zwischen zwei latrones hingerichtet. Aus diesem Grund sind die in der Bibel, in den Schriften des Eremiten- und Mönchtums sowie weiteren christlichen Texten auftauchenden latrones mehr als ein literarisches Motiv: Sie bieten einen bisher noch kaum gewürdigten Beitrag für eine Theologie der Freiheit.