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Im Zeitlupentempo zoomt der Literat Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) in die Seitenstraße einer langen gepflasterten Straße, vor einen Hauseingang, unter eine Fensterbank, entlang der Topfpflanzen und schließlich hinein in eines der gelb leuchtenden Fensterrechtecke. Auf einem Sessel in dem bürgerlich eingerichteten Wohnzimmer liegt eine aufgeschlagene Zeitung - das Foto zeigt eine Menschentraube, die zu einem Fenster hochsieht. Die Kurzgeschichte "Ein Vorfall" beschreibt einen Septemberabend irgendwo in Deutschland: eine ruhige Wohnsiedlung in einem Außenbezirk, ein Mehrfamilienhaus, eine Rauferei in der Wirtschaft, ein Betrunkener, ein Suizidversuch, ein Feuerwehreinsatz, Passanten. Eine Frau aus der Siedlung hat sich in ihrer Wohnung verbarrikadiert, Schränke vor die Eingangstür geschoben und, vielleicht, den Gashahn aufgedreht. Der literarische Spaziergang arbeitet mit Perspektivverschiebungen und Déja-vus. Begleitet wird er von Bildmaterial der Künstlerin Rosemarie Trockel: assoziative Schwarz-Weiß-Fotografien aus den Jahren 1995 bis 2011, darunter Filmstills, ausschnitthafte Abbildungen künstlerischer Arbeiten, enigmatisch und fragmentarisch wie die Erzählung, die Trockel für ihr Notebook wählte.
Summary
In slow motion, the writer Rolf Dieter Brinkmann (1940–1975) zooms down a side street off a long, paved street, along whitish-gray facades, dark front doors, the black-green silhouettes of pot plants behind windowpanes, and finally into one of the yellow-lit embrasures. On the armchair in a middle-class living room lies an open newspaper—the photo shows a group of people looking up at a window. The short story “An Incident” describes an evening in September, somewhere in Germany: a quiet residential neighborhood, an apartment building, a brawl in front of a restaurant, a drunken man, a suicide attempt, a fire-department operation, passersby and onlookers. A woman in the settlement has locked herself in, barricaded the door with closets, and, supposedly, turned on the gas. The literary trip works with perspective shifts and déjà vu. It is accompanied with images by Rosemarie Trockel: associative black-and-white photographs from the years 1995 to 2011, among them film stills and details of artworks, fragmentary and cryptic like the story Trockel has chosen for her notebook.