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Pizza Hawai in Toni's Bauernstube: der Siegeszug der Provinz! Du stehst an einer Autobahnauffahrt irgendwo auf dem Land und möchtest am liebsten alles hinter dir lassen: die weißen Betonkübel in den Straßen der Neubausiedlung, die Bushaltestelle, an der du nach der Schule mit den anderen herumhängst, und das Kino, in dem nur Filme laufen, die du nicht sehen willst. Du träumst davon, der Kleinstadt an diesem Nachmittag den Rücken zu kehren und nie wieder zurückzukommen. Erst später erkennst du, was du wirklich zurückgelassen hast: Die Provinz ist der Hintergrund, vor dem du dein weiteres Leben entwirfst. Für den 16-Jährigen war sie noch die ungeliebte Hülle, die er so schnell wie möglich abstreifen möchte. Für den 26-Jährigen steht sie bereits für einen ganzen Lebensentwurf, von dem er sich verabschiedet hat: Ab jetzt geht es nur noch vorwärts. Das ist der Vorteil derjenigen, die in Westerstede, in Elsterwerda oder Mühlacker geboren wurden und diese kleinen Städte verl assen haben. Sie wissen, wo sie herkommen, und sie wissen, wohin sie nie wieder zurückwollen. Kolja Mensing erzählt vom Aufwachsen fern der Großstadt und skizziert eine Topologie und Soziologie der Provinz. Denn "Provinz" braucht heute keinen Ort mehr, sondern ist zu einem gesellschaftlichen Phänomen geworden: Unsere Herkunft holt uns ein.
About the author
Kolja Mensing, 1971 geboren und in Westerstede aufgewachsen, einer niedersächsischen Kleinstadt mit drei Sporthallen, einem Jeans-Shop und einer Pizzeria. 1990 ging er zum Studieren erst nach Oldenburg und dann nach Münster - so schnell entkommt man der Provinz nicht. Mitte der Neunzigerjahre ist er dann nach Berlin gezogen, um sein Geld als freier Journalist und Literaturkritiker zu verdienen. Seit 1998 arbeitet er als Kulturredakteur bei der taz.