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Urs Germann
Kampf dem Verbrechen - Kriminalpolitik und Strafrechtsreform in der Schweiz 1870–1950
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Description
Die «Verbrecherfrage» trieb die Politik und Öffentlichkeit des Fin de siècle um wie kaum ein anderes Thema. Angeregt durch eine internationale Reformbewegung, formulierten Juristen, Sozialpolitiker und Ärzte eine Kriminalpolitik, die schliesslich Eingang ins Strafgesetzbuch von 1937 fand und die schweizerische Rechtsordnung bis heute prägt. Neu war, dass bei der Bestrafung nicht mehr allein die Straftat, sondern auch die Persönlichkeit des Rechtsbrechers berücksichtigt wurde.
Der Autor untersucht die komplexe Vorgeschichte des schweizerischen Strafgesetzbuches aus einer sozial-, politik- und rechtshistorischen Perspektive. Dazu situiert er die Kodifikation im Kontext einer transnationalen Reformdiskussion, die einer präventiv ausgerichteten Verbrechensbekämpfung zum Durchbruch verhalf. Ebenfalls werden die langwierigen Implementierungsprozesse nachgezeichnet, die nicht nur die Bundes-, sondern auch die kantonale Ebene betrafen. Das vielschichtige Reformvorhaben führte im Endeffekt zu einer nachhaltigen Transformation des Strafrechts, das neu als integraler Teil der modernen Sozialstaatlichkeit konzipiert wurde. Künftig sollte der Richter auch über medizinische, fürsorgerische und sichernde Massnahmen entscheiden und Zwangserziehung oder Schutzaufsicht anordnen können. Die Folgen der Verschmelzung von Repression und Prävention waren allerdings zwiespältig: einer integrativen Stossrichtung, die auf Individualisierung und Milde setzte, stand die forcierte Stigmatisierung, Pathologisierung und «Unschädlichmachung» von rückfälligen, psychisch kranken oder «arbeitsscheuen» Rechtsbrecherinnen und Rechtsbrechern gegenüber.
List of contents
Der Weg zur Reform: Entwicklungen, Institutionen und Akteure
Zur Entwicklung des Strafrechts in der Schweiz im 19. Jahrhundert
Die Perspektive der Disziplin: Modernisierungen von Strafvollzug und Armenpolizei
Kriminalitätsdebatten: Von der bürgerlichen Öffentlichkeit zum Expertendiskurs
Aufbruch zu neuen Horizonten: Internationale Reformbewegung und nationale Strafrechtskodifikation
Im Sog des Internationalismus: Die Gefängnis- und Strafrechtsreformbewegung
Die Internationale der Kriminalisten
Louis Guillaume: frühe Mittlerfigur zwischen nationaler und internationaler Ebene
Die nationale Agenda: Rechtsvereinheitlichung und Kodifikation des Strafrechts
Der lange Kampf für die Rechtseinheit
Der Zirkel der Kriminalisten: Personelle Netzwerke und fachliche Konsolidierung
Transnationale Perspektiven: Strafrecht als soziale Verteidigung
Die Internationale Kriminalistische Vereinigung und die Reform der Freiheitsstrafe
Strafrechtsreform in der Schweiz: Überlagerung zweier Reformstränge
Kriminalpolitische Leitbilder und Konzepte im grenzüberschreitenden Austausch
Zirkulationen in umgekehrter Richtung: Schweizer Beiträge zur internationalen Strafrechtsdebatte
Zwischenfazit und Ausblick
Vom Programm zum Gesetz: Verbrecherbilder, Präventionslogiken und Sanktionskonzepte
Verbrecherbilder: Straffälligkeit als Gesellschaftswidrigkeit
Kriminalität als Krankheit der Gesellschaft
Verbrechen als Krankheit des Individuums
Kriminalitätsprophylaxe durch sichernde Massnahmen
Sozialpolitik und die Hygiene der Kriminalisten: Verbrechensverhütung ausserhalb des Strafrechts
Individuelle Rückfallprävention: Stooss’ Konzept der sichernden Massnahmen
Der Spezialfall: Die Rückfälligenverwahrung
Ausbau und Konsolidierung des Massnahmenrechts
Sichernde Massnahmen zwischen Fürsorge und Strafe
Umstrittene Autonomie: Die Entstehung des Jugendstrafrechts
Auf dem Weg zur Zweispurigkeit von Strafen und Massnahmen
Die andere Seite der Reform: Die bedingte Strafaussetzung
Einführung und Ausgestaltung der Strafaussetzung in der Schweiz
Bewährungsstrafen: Selektive Milde für 'würdige' Gelegenheitsübertreter
Unter dem Schwert des Damokles: Bedingte Strafaussetzung als Erprobungssystem
Zwischenfazit
Politisierung und Implementierung der Strafrechtsreform
Etappen der Politisierung: Von der Rechtseinheit zur Realisierung des Strafgesetzbuchs
Die Anstaltsreform: Zaghafte Neuerungen im Strafvollzug
Neue Kooperationsformen: Die Integration privater Akteure in den Strafvollzug
Die Kriminalpolitik der Kantone: Nachvollzug oder Vorwegnahme?
Umsetzungsprobleme nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs
Zwischenfazit: Pfadabhängigkeiten und Ungleichzeitigkeiten
Fazit: Kriminalpolitik zwischen Integration und Repression
Zirkulationen: Leitbilder der modernen Verbrechensbekämpfung im transnationalen Diskurs
Hybridisierungen: Verbrecherbilder und Sanktionskonzepte
Langer Weg zum Gesetz: die Realisierung und Implementierung des Strafgesetzbuchs
Summary
Die 'Verbrecherfrage' trieb die Politik und Öffentlichkeit des Fin de siècle um wie kaum ein anderes Thema. Angeregt durch eine internationale Reformbewegung, formulierten Juristen, Sozialpolitiker und Ärzte eine Kriminalpolitik, die schliesslich Eingang ins Strafgesetzbuch von 1937 fand und die schweizerische Rechtsordnung bis heute prägt. Neu war, dass bei der Bestrafung nicht mehr allein die Straftat, sondern auch die Persönlichkeit des Rechtsbrechers berücksichtigt wurde.
Der Autor untersucht die komplexe Vorgeschichte des schweizerischen Strafgesetzbuches aus einer sozial-, politik- und rechtshistorischen Perspektive. Dazu situiert er die Kodifikation im Kontext einer transnationalen Reformdiskussion, die einer präventiv ausgerichteten Verbrechensbekämpfung zum Durchbruch verhalf. Ebenfalls werden die langwierigen Implementierungsprozesse nachgezeichnet, die nicht nur die Bundes-, sondern auch die kantonale Ebene betrafen. Das vielschichtige Reformvorhaben führte im Endeffekt zu einer nachhaltigen Transformation des Strafrechts, das neu als integraler Teil der modernen Sozialstaatlichkeit konzipiert wurde. Künftig sollte der Richter auch über medizinische, fürsorgerische und sichernde Massnahmen entscheiden und Zwangserziehung oder Schutzaufsicht anordnen können. Die Folgen der Verschmelzung von Repression und Prävention waren allerdings zwiespältig: einer integrativen Stossrichtung, die auf Individualisierung und Milde setzte, stand die forcierte Stigmatisierung, Pathologisierung und 'Unschädlichmachung' von rückfälligen, psychisch kranken oder 'arbeitsscheuen' Rechtsbrecherinnen und Rechtsbrechern gegenüber.
Product details
Authors | Urs Germann |
Publisher | Chronos |
Languages | German |
Product format | Other book format |
Released | 31.12.2014 |
EAN | 9783034012430 |
ISBN | 978-3-0340-1243-0 |
No. of pages | 291 |
Dimensions | 155 mm x 225 mm x 22 mm |
Weight | 480 g |
Subjects |
Humanities, art, music
> History
> 20th century (up to 1945)
Strafrecht, Rechtsgeschichte, Kriminalpolitik, Swissness, Erste Hälfte 20. Jahrhundert (1900 bis 1950 n. Chr.), auseinandersetzen |
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