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Armut, Hunger und Not waren die Grundübel Anfang des 19. Jahrhunderts. Auf Initiative von philanthropisch gesinnten Bürgern wurde 1812 die Hülfsgesellschaft Winterthur gegründet mit dem Ziel, die Not der armen Bevölkerung in Winterthur und Umgebung zu lindern. Im Laufe ihrer Geschichte lancierte sie zahlreiche sozial fortschrittliche Projekte, die später als selbstverständliche Aufgaben in den Sozialstaat integriert wurden.
Die Hülfsgesellschaft Winterthur verstand sich in ihren Anfangszeiten als Vereinigung von liberal gesinnten «Menschenfreunden», die die gröbsten Auswüchse des sozialen und wirtschaftlichen Wandels lindern helfen wollte. Dazu gehörte nicht nur die Bekämpfung von Armut, Wohnungsnot, Tuberkulose oder Alkoholismus, sondern von Anfang an die Förderung von begabten Jugendlichen. Denn eine gute Bildung wurde als beste Versicherung gegen Armut betrachtet. Heute selbstverständliche soziale Einrichtungen wie Kindergärten oder Altersheime waren ebenfalls Pionierwerke der Hülfsgesellschaft.
Obwohl die Hülfsgesellschaft eher liberal-konservativ ausgerichtet war, war sie bis in die jüngste Zeit Katalysator für notwendige und wegweisende soziale Projekte, die oft Mühe hatten, andere Geldgeber zu finden. Die Schilderung von Einzelschicksalen zeigt exemplarisch, wieso die individuelle Unterstützung bis heute eine Notwendigkeit geblieben ist.
Die Geschichte der Hülfsgesellschaft ist auch ein Stück Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Winterthur. So lässt sich zeigen, wie diese Institution immer auch geprägt war von der Entwicklung der Stadt und welche Rückwirkungen diese auf die Tätigkeit der Hülfsgesellschaft hatte.
List of contents
I Einleitung
II Die krisenhaften Auswirkungen der Moderne
Die reaktionäre Avantgarde
Dissonanzen und Widersprüche
III Die soziopolitische Entwicklung
Landesstreik und 'bürgerliche Gegenrevolution'
Die zwei Phasen der Zwanzigerjahre
Reaktionäre Strömungen und Erneuerungsbewegungen
Der Beitritt der Schweiz zum Völkerbund
Schweizer Völkerbunds- und Aussenpolitik
IV Der Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz
Die Gründung
Die Richtlinien 1921
Die alten Rechte von 1815
Der VUS und der Völkerbund
Gegen die ausländische Beeinflussung
1929–1934: Richtung interne Dissonanzen
Ideologie
V Schlusswort
About the author
Gilbert Grap
(1970–2011) studierte Geschichte, Philosophie und Filmwissenschaften an der Universität Zürich.
Summary
Die Neutralität ist die wichtigste aussenpolitische Maxime des schweizerischen Bundesstaates. Ihre Auslegung und Umsetzung waren jedoch immer umstritten. Im Spannungsfeld unterschiedlicher politischer Kräfte wurde sie fortwährend neu gedeutet und im Hinblick auf die internationale Situation und auf innenpolitische Konstellationen modifiziert.
Gilbert Grap geht in seinem Buch dem Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz (VUS) nach, der sich massiv in diese Debatten einmischte. 1921 von rechtskonservativen, germanophilen Kreisen gegründet, bekämpfte er den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund und das daraus folgende Konzept der 'differenziellen Neutralität'. Beeindruckt durch den Landesstreik von 1918 und durch neue nationalistische Strömungen forderte er die Rückkehr zu einer kompromisslosen 'integralen Neutralität'. Er lehnte Liberalismus und Sozialismus ab und votierte für eine starke Armee zur Verteidigung der nationalen Souveränität. Damit verbunden war der Kampf gegen 'geistige Überfremdung'. Immer stärker profilierte sich der VUS als Avantgarde einer nationalen Erneuerungsbewegung. 1933 bekannten sich einige seiner massgeblichen Exponenten offensiv zum antisemitischen, antidemokratischen Gedankengut des 'Frontenfrühlings'.
In bisher kaum erforschten Quellen recherchierte der Historiker Gilbert Grap minutiös die Spur des VUS in die Schweizer Politik und Gesellschaft bis ins Jahr 1934.