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Bürgerlichkeit und Bürger sind zentrale Konzepte der Literaturgeschichte. Die tiefgreifenden kulturellen und sozialstrukturellen Veränderungen des 18. Jahrhunderts sind auf die Emanzipation des neuzeitlichen Bürgertums zurückgeführt worden. Die Untersuchung der historischen Verhältnisse hat jedoch den so kompakt scheinenden Begriff des Bürgers in eine semantische wie sozialstrukturelle Vielfalt aufgelöst, deren Einheit mehr denn je fraglich ist. Die gängigen literarhistorischen und soziologischen Modelle bedürfen daher einer grundlegenden Revision.
List of contents
Inhalt: I. Theorie: Wolfgang Ruppert, Anmerkungen zum Verhältnis von Sozial- und Kulturgeschichte. - Alois Hahn, Bürgerliche Kultur als menschliche Bildung. - Michael Maurer, Kultur und bürgerliche Vergesellschaftung. - Angelika Linke, >Ich<: Zur kommunikativen Konstruktion von Individualität. Auch ein Beitrag zur kulturellen Selbsterfindung des >neuen< Bürgertums im 18. Jahrhundert. - II. Zur Semantik des Bürgerbegriffs: Cornel Zwierlein, Das Glück des Bürgers. Der aufklärerische Eudaimonismus als Formationselement von Bürgerlichkeit und seine Charakteristika. - Carsten Zelle, Mündigkeit und Selbstgefühl. Versuch über das aufgeklärte Subjekt am Ende des 18. Jahrhunderts. - Friedrich Vollhardt, Die Bildung des Bürgers. Wissensvermittlung im Medium der »Moralischen Wochenschrift«. - Hans-Edwin Friedrich, »Nur der wahre Weltbürger kann ein guter Staatsbürger sein.« Zur Reflexion des Bürgerbegriffs im Werk Christoph Martin Wielands. - III. Bürgerlichkeit und Literatur: Marianne Willems, Individualität: ein bürgerliches Orientierungsmuster. Zur Epochencharakteristik von Empfindsamkeit und Sturm und Drang. - Katja Mellmann, Das Buch als Freund/der Freund als Zeugnis. Zur Entstehung eines neuen Paradigmas für Literaturrezeption und persönliche Beziehungen im 18. Jahrhundert, mit einer Hypothese zur Erstrezeption von Goethes »Werther«. - John A. McCarthy, Faktum und Fiktion. Die Darstellung bürgerlicher Schichten zur Zeit des Sturm und Drang. - Hans-Jürgen Lüsebrink, Plebejische Sichtweisen. Zur Wahrnehmung und Semantik des Bürgertums in populären Autobiographien und Druckwerken des 18. Jahrhunderts. - Marisa Siguan, Einheit der Poetik und Geburt der Nationalliteraturen. Juan Andrés Ansatz zwischen Deskription und normativer Wertung versus Herders Universalismus. - IV. Bürgerliches Trauerspiel: Lothar Pikulik, »Sonst ist alles besser an Euch, als an Uns.« Über Odoardos Lobrede auf die Frau in »Emilia Galotti«. - Teruaki Takahashi, >Identitätskrise< und die diskursive Formierung der bürgerlichen Subjektivität in Lessings bürgerlichem Trauerspiel »Miss Sara Sampson«. - Hartmut Reinhardt, Märtyrerinnen des Empfindens. Lessings »Miss Sara Sampson« als Fall von Richardson-Rezeption. - Erich Schön, Schillers »Kabale und Liebe«: (K)ein bürgerliches Trauerspiel. Schiller und Otto von Gemmingens »Der deutsche Hausvater«.
About the author
Fotis Jannidis, geb. 1961; Studium der Germanistik und Anglistik an der Universität Trier; 1995 Promotion; 2002 Habilitation; Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der TU Darmstadt.
Report
"Der Band bietet durch diese Verbindung von Sozialgeschichte mit kulturgeschichtlichen Fragestellungen insgesamt fruchtbare Ansätze, die nicht nur die Diskussion um einen alten Begriff neu beleben könnten, sondern auch die Diskussion um eine mancherorts für überholt geltende Methode."
Dirk Hempel in: Das Achtzehnte Jahrhundert 2/2008