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In der sozialpolitischen und -wissenschaftlichen Diskussion wurde Armut lange Zeit als verfestigtes psychisch-sozial-ökonomisches Syndrom verstanden. Die neuere Forschung sieht Armut dagegen als begrenzten Zustand materieller Minderausstattung eines bis weit in die Mittelschicht hineinreichenden und fluktuierenden Personenkreises.
Auf der Grundlage einer repräsentativen bundesweiten Befragung analysiert Kurt Salentin soziale Einflüsse auf das Verhalten einkommensschwacher Personen in ökonomischen Belastungssituationen. Er zeigt, dass ökonomische Benachteiligung zu erhöhtem emotionalem Stressaufkommen führt und dass Arme unter sonst gleichen Bildungs- und Altersvoraussetzungen ihre Stressoren ebenso sachadäquat wie der Bevölkerungsdurchschnitt bewältigen. Der Autor bestätigt damit die Grundannahme der neueren Armutsforschung, weist aber zugleich der Scham bei der Verarbeitung ökonomischer Probleme eine zentrale Bedeutung zu: Die Furcht vor Bloßstellung und vor dem Verlust des Ansehens wiegt vielfach schwerer als rationale Überlegungen und blockiert die für viele Lösungsstrategien notwendige Mobilisierung sozialer Unterstützung.
List of contents
1 Einleitung.- 1.1 Gegenstand.- 1.2 Gang der Darstellung.- 2 Forschungsstand: Belastungsverarbeitung in Theorie und Empirie.- 2.1 Begriffliches.- 2.2 Situationsbewertung und Verarbeitungsverhalten: Belastungsverarbeitung im Transaktionsansatz.- 2.3 Soziale Faktoren, Persönlichkeitsstruktur und Belastungsverarbeitung.- 2.4 Ökonomisch bedingter Ansehensverlust als Belastungsquelle.- 2.5 Ereignislast und Belastungsanfälligkeit.- 2.6 Formulierung eines Analysemodells.- 3 Stichprobe, Daten und Methoden.- 3.1 Der Datensatz.- 3.2 Operationalisierungen.- 3.3 Pfadanalyse.- 3.4 Parallelität der Situationen.- 4 Analysen.- 4.1 Soziale Stellung und Ereignislast.- 4.2 Verarbeitungsreaktionen im Sozialstrukturmodell.- 4.3 Verarbeitungsreaktionen im Transaktionsmodell.- 4.4 Soziale Stellung und Verarbeitungsressourcen.- 4.5 Soziale Stellung und Situationsbewertung.- 4.6 Parallelmodell: Soziale Stellung, Situationsbewertung und Belastungsverarbeitung.- 5 Fazit.- 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse.- 5.2 Folgerungen für die psychologische Belastungsforschung.- 5.3 Folgerungen für die Armutsforschung.- 5.4 Folgerungen für die soziologische Forschung.- 5.5 Folgerungen für die Sozialpolitik.- 5.6 Ausblick.- Literatur.- Anhang A: Wichtige Statistiken der verwendeten Variablen.- Anhang B. Glossar und Abkürzungsverzeichnis.
About the author
Dr. Kurt Salentin, Studium der Psychologie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Trier und Bielefeld; er war u.a. als United Nations Volunteer in Sri Lanka tätig. Gegenwärtig ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.
Summary
In der sozialpolitischen und -wissenschaftlichen Diskussion wurde Armut lange Zeit als verfestigtes psychisch-sozial-ökonomisches Syndrom verstanden. Die neuere Forschung sieht Armut dagegen als begrenzten Zustand materieller Minderausstattung eines bis weit in die Mittelschicht hineinreichenden und fluktuierenden Personenkreises.
Auf der Grundlage einer repräsentativen bundesweiten Befragung analysiert Kurt Salentin soziale Einflüsse auf das Verhalten einkommensschwacher Personen in ökonomischen Belastungssituationen. Er zeigt, dass ökonomische Benachteiligung zu erhöhtem emotionalem Stressaufkommen führt und dass Arme unter sonst gleichen Bildungs- und Altersvoraussetzungen ihre Stressoren ebenso sachadäquat wie der Bevölkerungsdurchschnitt bewältigen. Der Autor bestätigt damit die Grundannahme der neueren Armutsforschung, weist aber zugleich der Scham bei der Verarbeitung ökonomischer Probleme eine zentrale Bedeutung zu: Die Furcht vor Bloßstellung und vor dem Verlust des Ansehens wiegt vielfach schwerer als rationale Überlegungen und blockiert die für viele Lösungsstrategien notwendige Mobilisierung sozialer Unterstützung.