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Der bildhafte Titel dieses Buches ist einem Brief der Lyrikerin Else Lasker-Schüler aus den 1930er Jahren entnommen und schildert ihre hohe Stimmung beim Flanieren durch die ruhige Stadt Bern. «Solche Spaziergänge, schwebend, lassen das Leben ertragen», schreibt sie weiter. Dass das Leben zu ertragen sei, ja mitunter «stratosphärisch» leicht sich anfühle, verweist jedoch auch auf die Lasten und die Bedrängnis jener Jahre, die Anfechtungen, denen Juden und Jüdinnen vielerorts in Europa ausgesetzt waren.
Der Titel verdeutlicht, dass hier Texte versammelt sind, die ein breites Spektrum an jüdischen Erfahrungen, Denkvorgängen und Erinnerungsfiguren aus verschiedenen Epochen dokumentieren: vom mittelalterlichen Privileg über die stigmatisierende Ausschliessung bis zur gewaltsamen Vertreibung, von der bürgerlichen Emanzipation im 19. Jahrhundert über die Ohnmacht während der Zeit der Schoah bis zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung der jüdischen Religionsgemeinschaft.
Durch die Verbindungen jüdischer Intellektueller mit Bern ergeben sich Einblicke in Sternstunden des europäischen Geisteslebens. Die jüdische künstlerische und politische Moderne war geprägt von Aufbruchstimmung und Exilerfahrung.
Für viele wurde Bern zum Ort, wo ihr Traum vom Studium in Erfüllung ging. Und immer wieder spiegelt das Bild von der Wolkenstadt den Wechsel des Klimas: zwischen Judenhut und Alpenparadies, Schwermut und Traumhaftigkeit, Eigensinn und Höhenflug, Bangen und Bürgerlichkeit, liberalem Empfinden und Streben nach sozialer Beteiligung.
List of contents
René Bloch, Jacques Picard: Judenhut und Alpenparadies – Anlässe, Situierungen und Quellen dieses Buches
Mittelalterliche Spuren
Rainer Christoph Schwinges: Zwischen Privileg und Gewalt. Juden in Bern, 1200–1800
Rainer Christoph Schwinges: Berner Verordnungen von 1781 und 1787
Armand Baeriswyl: Die Geschichte des Bundesplatzes und seiner Umgebung. Zur jüdischen Topografie im mittelalterlichen Bern
Olivia Franz-Klauser: Die hebräischen Handschriften der Burgerbibliothek Bern
Gründerzeiten
Karin Huser: Juden unter Vorbehalt. Der lange Weg bis zur 'Emanzipation'
Angela Bhend: Verbürgerlichung und Konfessionalisierung. Jüdische Lebenswelt in der Gründerzeit, 1848–1914
Ron Epstein: Die Synagogen Berns
Ron Epstein: Rabbiner, Kantoren, Präsidentinnen und Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Bern im Überblick
Judith Hélène Stadler: Marie Anneler-Beck und Hedwig Anneler. Vergessenes Engagement zweier Frauen für Jüdinnen und Juden
Geisteswelten
Vladimir Medem: Die Berner Kolonie
Shifra Kuperman: Jiddischisten in Bern. Freiheit und Wissenschaft im Alpenparadies
Sandrine Mayoraz: 'Wahrhaftige Festung des Bundes'. Der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund in Bern
Thomas Staubli: Yehezkel Kaufmann. Die Berner Jahre eines Genies
Stefanie Leuenberger: 'Eine Stadt wie ein ewiger Schrein'. Else Lasker-Schüler, Ludwig Stein, Jonas Fränkel
Monika Kneubühler: Die Universität Bern als Wirkungsort und Durchgangsstätte jüdischer Philosophen
Hans-Rudolf Ott: Albert Einstein in Bern, 1902–1909
Franziska Rogger: Jüdische Lernende und Lehrende an der Berner Hochschule, 1848–1945
Hilfe, Ohnmacht, Gedenken
Patrik Kury: Von der Epoche des Liberalismus ins Zeitalter der Katastrophen, 1914–1945
Hannah Einhaus: Georges Brunschvig. Ein Netzwerker par excellence
Ulrike Gehring, Jacques Picard: Auch Auschwitz liegt in der Schweiz. Das Mahnmal auf dem Jüdischen Friedhof Bern
Dan Diner: Am Grab von Max Horkheimer
Auf dem Weg in die Gegenwart
Daniel Gerson: Nach 1948 – Traditionen und Erneuerungen
Jonathan Kreutner: Israels Haus in Bern. Die Vertretung des Staates Israel in der Schweiz
Daniel Gerson: Öffnung und Anerkennung seit den 1980er Jahren
René Bloch: Ein langer Weg. Die Geschichte der Judaistik an der Universität Bern
Peter Abelin: 'Gehe hin und lerne'. Jüdische Bildung und das College der Jüdischen Gemeinde Bern
Richard Staub: Die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft und der interreligiöse Dialog in Bern
About the author
René Bloch
ist Professor für Judaistik am Institut für Judaistik und am Institut für Klassische Philologie der Universität Bern.
Jacques Picard
ist Branco-Weiss-Professor für Kulturanthropologie und Ordinarius für Jüdische Geschichte und Kulturen der Moderne an der Universität Basel.
Summary
Der bildhafte Titel dieses Buches ist einem Brief der Lyrikerin Else Lasker-Schüler aus den 1930er Jahren entnommen und schildert ihre hohe Stimmung beim Flanieren durch die ruhige Stadt Bern. 'Solche Spaziergänge, schwebend, lassen das Leben ertragen', schreibt sie weiter. Dass das Leben zu ertragen sei, ja mitunter 'stratosphärisch' leicht sich anfühle, verweist jedoch auch auf die Lasten und die Bedrängnis jener Jahre, die Anfechtungen, denen Juden und Jüdinnen vielerorts in Europa ausgesetzt waren.
Der Titel verdeutlicht, dass hier Texte versammelt sind, die ein breites Spektrum an jüdischen Erfahrungen, Denkvorgängen und Erinnerungsfiguren aus verschiedenen Epochen dokumentieren: vom mittelalterlichen Privileg über die stigmatisierende Ausschliessung bis zur gewaltsamen Vertreibung, von der bürgerlichen Emanzipation im 19. Jahrhundert über die Ohnmacht während der Zeit der Schoah bis zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung der jüdischen Religionsgemeinschaft.
Durch die Verbindungen jüdischer Intellektueller mit Bern ergeben sich Einblicke in Sternstunden des europäischen Geisteslebens. Die jüdische künstlerische und politische Moderne war geprägt von Aufbruchstimmung und Exilerfahrung.
Für viele wurde Bern zum Ort, wo ihr Traum vom Studium in Erfüllung ging. Und immer wieder spiegelt das Bild von der Wolkenstadt den Wechsel des Klimas: zwischen Judenhut und Alpenparadies, Schwermut und Traumhaftigkeit, Eigensinn und Höhenflug, Bangen und Bürgerlichkeit, liberalem Empfinden und Streben nach sozialer Beteiligung.