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Visionen haben in der Literatur der klassischen Moderne Konjunktur. Dabei bezeichnet das Visionäre nicht mehr die Erscheinung eines Un- oder Übersinnlichen, sondern als Halluzination eine Form gesteigerter sinnlicher Gegenwärtigkeit - ohne dass die frühere Bedeutungsschicht gänzlich abgetragen würde. Poetologisches Gewicht erhalten die inneren Bilder, verstanden als anthropologisch verbindliche psychophysische Prozesse, vor dem Hintergrund einer wissenschaftlichen Entzauberung der Welt, der viel besprochenen sogenannten 'Sprachkrise' sowie der Auseinandersetzung mit neuen Medientechnologien. Visionäres wird zum Ausgangspunkt für die Erprobung neuer Schreibverfahren und dient der Selbstvergewisserung über die Grenzen und Möglichkeiten von Literatur. Die Studie verbindet die wissensgeschichtliche Fragestellung nach der Funktion der im Körper erzeugten Bilder mit dem systematischen Problem ihrer Vertextung sowie der Medialität von Phantasma einerseits und Literatur andererseits. Der für das Schreiben Robert Müllers und Gottfried Benns grundlegende Zusammenhang wird anhand der Dichtungstheorie der beiden Autoren begründet und in seinen Folgen für die literarische Praxis untersucht.
List of contents
Sinne werden Medien. Historische Mediologie der endogenen BilderModerne Wilde. Bahr - Fantastische Gesichtserscheinungen. Johannes Müller - (Geister-)Sehen. Schopenhauer - Empfindungen. Mach - Medienwerden der SinneEine neuerliche 'Schrift'-Sprache. Expressionistische Poetik (Müller)Abstraktionsdrang. Worringer - Psychismus - Der neue Standpunkt. Däubler - Primitive Avantgarde - Psychotechnik - Neue Evidenz - Medienwerden der LiteraturPräsenz. Literarischer PrimitivismusMediale Präsenz - Körperpräsenz - Primitivismus - Zwei Arten des Denkens. Nietzsche, Jung - Mystische Partizipation, Magie. Lévy-Bruhl, Preuß, Freud - Katathymie. Kretschmer - Dämmer-zustände. Breuer, FreudEvidenzstrategien. Robert Müllers Phänomenologien der WahrnehmungKubistische Literatur. Das InselmädchenEvidenzstörung - Dissoziation - Regression - Literarischer KubismusDas katechetische Buch unserer verrückten Nerven. TropenParatexte - Das Geheimnis der tanzenden Buchstaben - Augenblicksmystik - Kippeffekte - Universalpoesie - Atemporalität - Umstülpung - Abstraktion - Ekstase - Irrsinn - Hyperrealismus - Entkörperlichung. Expressionismus und Film - Entwirklichung - BücherAbsoluter Zustand. Camera obscuraChronologie. Falsch! ... stop! - Kino-Optik? - Geheimniszwiebel - Camera obscura! - Autosuggestion - Negative EvidenzDer Einsame und seine Bilder. Halluzinatorische Poetik (Benn)Das moderne Ich - Anthropologische Poetologie - (Psycho-)Tech- niken. Beringer, Deussen - Poetologie als Mediologie - Hirnsemiotik. Meynert - Spalthirnigkeit. Storch, Kronfeld, Bychowski - Psychologie ohne Ich. Ziehen - Konstruktiver Geist - Provoziertes Leben - Selbstentzündung - Ein Wort - Primäre SetzungZündungen. Gottfried Benns Prosa-PhantasmagorienVorspiele. Früheste ProsaZu den Flechten. Unter der Großhirnrinde - Liebestraum. Nocturno - Hinter den Augen. Heinrich Mann. Ein UntergangRönne erblickt die Kunst. GehirneEntschweifungen der Schläfe. Gehirne - Unter Palmen. Die Eroberung - Mythische Wucht. Die Reise - Neue Syntax. Die Insel - Beginnen. Der GeburtstagZusammenfassung. Roman des PhänotypDer Stundengott - Ausdruck - Überblicke - Zeit-Räume - Enden
About the author
Christoph Gardian
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur von Prof. Dr. Juliane Vogel an der Universität Konstanz.
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Visionen haben in der Literatur der klassischen Moderne Konjunktur. Dabei bezeichnet das Visionäre nicht mehr die Erscheinung eines Un- oder Übersinnlichen, sondern als Halluzination eine Form gesteigerter sinnlicher Gegenwärtigkeit – ohne dass die frühere Bedeutungsschicht gänzlich abgetragen würde. Poetologisches Gewicht erhalten die inneren Bilder, verstanden als anthropologisch verbindliche psychophysische Prozesse, vor dem Hintergrund einer wissenschaftlichen Entzauberung der Welt, der viel besprochenen sogenannten ›Sprachkrise‹ sowie der Auseinandersetzung mit neuen Medientechnologien. Visionäres wird zum Ausgangspunkt für die Erprobung neuer Schreibverfahren und dient der Selbstvergewisserung über die Grenzen und Möglichkeiten von Literatur. Die Studie verbindet die wissensgeschichtliche Fragestellung nach der Funktion der im Körper erzeugten Bilder mit dem systematischen Problem ihrer Vertextung sowie der Medialität von Phantasma einerseits und Literatur andererseits. Der für das Schreiben Robert Müllers und Gottfried Benns grundlegende Zusammenhang wird anhand der Dichtungstheorie der beiden Autoren begründet und in seinen Folgen für die literarische Praxis untersucht.