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Wo Lüdemann aufhört, fängt Maccoby erst an: Paulus war nicht nur der organisatorische Gründer der Kirche, die es ohne ihn gewiß nicht gäbe, sondern auch der alleinige Stifter der christlichen Religion, welche dem gläubigen Juden und verhinderten Messias Jesus schwerlich gefallen hätte.Gnosis und Mysterienreligionen, welche zuvor noch niemand kombiniert hatte, verknetete Paulus mit einem gründlich umfunktionierten biblischen Substrat zu einer brisanten Mischung. Entgegen seinen eigenen Suggestionen und den Legenden der Apostelgeschichte ist Paulus im Gegensatz zu Jesus niemals Pharisäer gewesen; aber er war ein nahezu genialer hellenistischer Mythenschmied.
List of contents
Vorwort des ÜbersetzersVorwort des AutorsSaulusDas PaulusproblemDer Standpunkt dieses BuchesDie PharisäerWar Jesus ein Pharisäer?Warum wurde Jesus gekreuzigt?War Paulus Pharisäer?Angeblich rabbinischer Stil in den PaulusbriefenPaulus und StephanusPaulusDer Weg nach DamaskusDamaskus und danachPaulus und das AbendmahlDie 'Kirche von Jerusalem'Der BruchPaulus vor GerichtDas Zeugnis der EbionitenDer MythenschmiedAnhangZur MethodeDanksagungenNachwort zur 2. AuflageStellenregisterLiteratur
About the author
Prof. Dr. Hyam Maccoby (1924 - 2004), Altertumswissenschaftler und lange Zeit Dozent und Leiter der Bibliothek an der Rabbiner-Hochschule Leo Baeck College (London), wurde bekannt als Lektor, Kritiker und Erforscher der Entstehung und historischen Dynamik des Christentums ebenso wie des Judentums. Der kürzlich verstorbene Maccoby war Professor für Altertumskunde mit Schwerpunkt Judaistik an der Universität Leeds.
Dipl.-Psych. Dr. Fritz Erik Hoevels ist Psychoanalytiker in Freiburg im Breisgau. Hauptwerk: Marxismus, Psychoanalyse, Politik. Zahlreiche Aufsätze in den Fachzeitschriften Praxis der Psychotherapie, System ubw und Hermes. Seine Gesammelten Aufsätze zur Psychoanalyse der Religion (Erstveröffentlichung: freethought international/Indian Atheist Publishers) wurden in fünf Kultursprachen übersetzt, darunter Englisch, Chinesisch und Russisch.
Fritz Erik Hoevels gründete 1974 die MRI (Marxistisch-Reichistische Initiative = Bund gegen Anpassung).
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"Während Ratzinger fleißig am Christus-Mythos weiterstrickt und die mythengläubige und -willige Masse solche mythenschmiedende Bücher massenhaft kauft, erscheint in dieser der historischen Wahrheit durchaus widrigen Situation in Deutschland ein Buch, das mit rationalsten Argumenten den üblichen Jesus-Mythos des Christentums ad absurdum führt. Maccobys Hauptthese, durch einen gewaltigen Apparat an philologischer, exegetisch-analytischer und historisch-kritischer Methodik und Gelehrsamkeit gestützt, besteht in dem in dieser Radikalität noch nie behaupteten absoluten und exklusiven Gegensatz von Jesus und Paulus. Ersterer war ein frommer Pharisäer (nicht im Sinne der negativ-verächtlichen Attribute, die den Pharisäern im Neuen Testament verabreicht werden), dem es nie in den Sinn gekommen wäre, eine neue Religion zu gründen. Wohl aber habe er sich als Messias des jüdischen Volkes gefühlt, der die jüdische Monarchie restaurieren, die römische Besatzung vertreiben, einen unabhängigen jüdischen Staat errichten und ein Zeitalter des Friedens, der Gerechtigkeit und des Wohlstands herstellen werde, das sogenannte "Reich Gottes". Das aber nicht mit militärischen Mitteln, sondern im Glauben an ein Wunder Gottes, das die Macht Roms brechen werde. Als dieses Wunder ausblieb, war seine Mission gescheitert. Weder sah er sich als Gottes Sohn, der nach diesem Scheitern wieder zu Gott Vater im Himmel zurückkehrt, noch seinen Tod als Sühneopfer für die Sünden der Menschheit und zu deren Errettung aus ewiger Verdammnis. Und nun kommt Paulus ins Spiel. Wahrscheinlich braucht jeder Mythos, jede Hervorbringung einer Kultgestalt ein Minimum an Faktizität, an tatsächlicher Basisgeschichte. Der genial listige und schlaue Paulus machte also aus dieser keineswegs extraordinären Gestalt Jesu mit Hilfe gnostischer, mysterienreligiöser und ein paar selektiv alttestamentlicher Elemente die ins pompös Metaphysisch-Kosmische erhöhte und erhobene Gestalt eines Erlösers und Heillands, eines Gottes und Gott ebenbürtigen Sohnes. Es war, so Maccoby, ein geniales Gebräu und Gewirk aus hellenistischen Bestandteilen, das oberflächlich mit jüdischen Schriften und Überlieferungen verlötet wurde, die es mit einer Art Historizität und einer Aura von Gültigkeit versehen sollten. Der Mann, der dies bewerkstelligte, war nie ein pharisäischer Rabbi gewesen, obwohl er dies seinen Anhängern weismachte, sondern ein Abenteurer ohne irgendwie hervortretenden Hintergrund. Er verband sich zunächst mit den Sadduzäern, und zwar als dem hohen Priester unterstellter Polizeiagent, bevor er sich zum Glauben an Jesus bekannte. Jene Bildung und jenen Kenntnisstand, die man im Allgemeinen mit den Pharisäern verband, hatte er nicht oder sehr unvollkommen. Seine Biografie habe er verzerrt und verfälscht, um seine missionarischen Aktivitäten besser durchsetzen zu können. Paulus also, wie Maccoby akribisch nachweist, kein in jüdischer Gelehrsamkeit und Tradition verwurzelter Pharisäer, vielmehr ein hellenistischer Abenteurer, dessen Bekanntschaft mit dem Judentum vergleichsweise spät und seicht war. Das gesamte Christentum, das wir kennen bzw. an das die Christen glauben, ist durch und durch, von A bis Z ein Werk des Paulus. Die nazarenische Religion, also die Religion der unmittelbaren Jünger und Nachfolger Jesu in Jerusalem, des Petrus, des Jakobus etc., war lediglich und blieb eine Variante der jüdischen Religion ... Die englische Originalausgabe der hier besprochenen Übersetzung erschien ja bereits 1986 in New York, ohne dass sie im deutschen Sprachraum auf Widerhall gestoßen wäre. Allerdings hat der Ahriman Verlag auch schon früher Maccobys Buch Jesus und der jüdische Freiheitskampf herausgegeben, die bisher nüchternste Rekonstruktion des historischen Jesus aus den Quellen.
Prof. Dr. Hubertus Mynarek