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Die Zeit schreiben - Jahreszeiten, Uhren und Kalender als Taktgeber der Literatur

German · Paperback / Softback

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Über Zeitsinn und Rhythmen der Literatur
Herbstmesse und Osterfest, Weihnachtstage, Mittsommernacht und etliche andere Zeitmarken bilden das Gerüst einer Kalenderordnung, die unserer säkularen Gegenwart als letzte ernsthafte Form der Frömmigkeit verblieben ist. Die alten Römer handelten (so Karl Philipp Moritz, frei nach Ovid) religiös richtig, indem sie mit der Zeit gingen, sich am Zyklus der Kulte und Festzüge orientierten. Zeitfromm ist heute in einer grenzenlos vernetzten Welt, wo Prozessoren und Maschinen permanent in Betrieb sind die Pietät gegenüber althergebrachten Sonderzeiten, erst recht aber der Glaube an die ultimative Gerichtsbarkeit von Terminen und deadlines.
Der Umstand, dass es Zeit "gibt", wird in antiken Mythen als erklärungsbedürftiges Wunder behandelt und auf ein kosmisches Theater der Götter zurückgeführt. Auch in Gedichten, Liedern, Dramen und Erzählungen vergeht Zeit; dies meist in einer sorgfältig angeordneten Weise, als wohlgeformte, in sich gegliederte Abfolge. Die Lyrik akzentuiert das saisonale Wechselspiel der Elemente und Temperaturen, das Drama die handlungsentscheidende Funktion des Augenblicks, und im Roman kommt zutage, wie unterschiedlich gleiche Zeitstrecken erlebt oder genutzt werden.
Dieses Buch stellt Texte und Motivzusammenhänge vor, in denen die Zeit selbst im Vordergrund steht und in ihrer Mannigfaltigkeit zu Wort kommt. Die Studie setzt vor 1800 ein mit jener doppelten Neugründung astronomischer und gesellschaftlicher Zeit, die durch den französischen Revolutionskalender angestoßen und dann flankiert wurde von einer naturpoetischen Ästhetik des Jahreslaufs (Rousseau, Schiller, Hölderlin). Relativiert ist dadurch die kanonische Autorität des Kirchenjahres, dessen seelsorgerische Programmatik in Droste-Hülshoffs Geistlichem Jahr noch einmal zur existentiellen Entfaltung gelangt. Schon aber treibt Büchners Dramatik die melancholische und die komödiantische Seite eines durch Arbeit entleerten Daseins hervor. In der Moderne sind es die widerstreitenden Kräfte von langer Dauer und Plötzlichkeit (Thomas Mann), von archaischer Elementarzeit und Uhrenkunst (Ernst Jünger), die an den großen Zeitstrom unterhalb des Wechsels gesellschaftlicher Ordnungen erinnern, zuletzt in der Wiederkehr des Kalendererzählers am Schnittpunkt von historischer Dokumentation und politischer Einbildungskraft (Alexander Kluge).
Ein Buch über die Zeit als den Taktgeber der Literatur und des kulturellen Lebens. Es reflektiert in intensiven Auseinandersetzungen mit poetischen Werken das menschliche Bedürfnis, sich in gemeinsamen Rhythmen zu bewegen und zugleich darin die Zeitlichkeit einer je eigenen Geschichte zu erfahren

About the author

Alexander Honold, 1962 in Chile geboren, studierte in München und Berlin. Seit 2004 ist er Ordinarius für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel.

Summary

Über Zeitsinn und Rhythmen der Literatur Herbstmesse und Osterfest, Weihnachtstage, Mittsommernacht und etliche andere Zeitmarken bilden das Gerüst einer Kalenderordnung, die unserer säkularen Gegenwart als letzte ernsthafte Form der Frömmigkeit verblieben ist. Die alten Römer handelten (so Karl Philipp Moritz, frei nach Ovid) religiös richtig, indem sie mit der Zeit gingen, sich am Zyklus der Kulte und Festzüge orientierten. ‹Zeitfromm› ist heute – in einer grenzenlos vernetzten Welt, wo Prozessoren und Maschinen permanent in Betrieb sind – die Pietät gegenüber althergebrachten Sonderzeiten, erst recht aber der Glaube an die ultimative Gerichtsbarkeit von Terminen und deadlines. Der Umstand, dass es Zeit «gibt», wird in antiken Mythen als erklärungsbedürftiges Wunder behandelt und auf ein kosmisches Theater der Götter zurückgeführt. Auch in Gedichten, Liedern, Dramen und Erzählungen vergeht Zeit; dies meist in einer sorgfältig angeordneten Weise, als wohlgeformte, in sich gegliederte Abfolge. Die Lyrik akzentuiert das saisonale Wechselspiel der Elemente und Temperaturen, das Drama die handlungsentscheidende Funktion des Augenblicks, und im Roman kommt zutage, wie unterschiedlich gleiche Zeitstrecken erlebt oder genutzt werden. Dieses Buch stellt Texte und Motivzusammenhänge vor, in denen die Zeit selbst im Vordergrund steht und in ihrer Mannigfaltigkeit zu Wort kommt. Die Studie setzt vor 1800 ein mit jener doppelten Neugründung astronomischer und gesellschaftlicher Zeit, die durch den französischen Revolutionskalender angestoßen und dann flankiert wurde von einer naturpoetischen Ästhetik des Jahreslaufs (Rousseau, Schiller, Hölderlin). Relativiert ist dadurch die kanonische Autorität des Kirchenjahres, dessen seelsorgerische Programmatik in Droste-Hülshoffs Geistlichem Jahr noch einmal zur existentiellen Entfaltung gelangt. Schon aber treibt Büchners Dramatik die melancholische und die komödiantische Seite eines durch Arbeit entleerten Daseins hervor. In der Moderne sind es die widerstreitenden Kräfte von langer Dauer und Plötzlichkeit (Thomas Mann), von archaischer Elementarzeit und Uhrenkunst (Ernst Jünger), die an den großen Zeitstrom unterhalb des Wechsels gesellschaftlicher Ordnungen erinnern, zuletzt in der Wiederkehr des Kalendererzählers am Schnittpunkt von historischer Dokumentation und politischer Einbildungskraft (Alexander Kluge). Ein Buch über die Zeit als den Taktgeber der Literatur und des kulturellen Lebens. Es reflektiert in intensiven Auseinandersetzungen mit poetischen Werken das menschliche Bedürfnis, sich in gemeinsamen Rhythmen zu bewegen und zugleich darin die Zeitlichkeit einer je eigenen Geschichte zu erfahren.      

Product details

Authors Alexander Honold
Publisher Schwabe Verlag Basel
 
Languages German
Product format Paperback / Softback
Released 01.10.2013
 
EAN 9783796531934
ISBN 978-3-7965-3193-4
No. of pages 308
Dimensions 121 mm x 196 mm x 16 mm
Weight 288 g
Illustrations m. 8 Abb.
Series Schwabe reflexe
Schwabe reflexe
Subjects Fiction > Narrative literature > Essays, feuilletons, literary criticism, interviews
Humanities, art, music > Linguistics and literary studies > General and comparative literary studies

Literatur, Literaturwissenschaft, Jahreszeit, Zeit, Literatur: Geschichte und Kritik, Literaturwissenschaft, allgemein

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