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Olga Chernysheva ( 1962 in Moskau) verhandelt "Gesellschaft" und "System" nicht als abstrakte Konstruktionen, sondern ausgehend vom Individuum, um zu zeigen, wie die kleinste Entität das sozial-politische Gefüge trägt und bestimmt respektive davon getragen und bestimmt ist. Wartende Gastarbeiter, fliegende Händler, eifrige Marktfrauen, in Pelz gehüllte Damen - die von Empathie getragene Beobachtungsgabe der Künstlerin spiegelt sich auch in der Bandbreite ihrer Ausdrucksformen: Von Film und Fotografie über Malerei und Aquarell bis zu Zeichnung dient das jeweilige Medium der nuancierten Darstellung ihrer komplexen Sujets und verdeutlicht die Bildwürdigkeit "kleiner Leute" vor dem Hintergrund größerer Umwälzungen. Anders als die Malerei des russischen Realismus im 19. Jahrhundert oder der frühe sowjetische Film erhebt Chernysheva keine sozialkritische Anklage; auch medienspezifisches Experimentieren ist ihr fremd. Ausstellung: Kunsthalle im Haus zum Roten Ochsen, Erfurt 4.7.-25.8.2013
About the author
Boris Groys wurde 1947 in Ostberlin geboren und ist aufgewachsen in der UdSSR, wo er an verschiedenen wissenschaftlichen Instituten in Leningrad und Moskau arbeitete. Seit 1981 ist er in Deutschland und seit 1994 Professor für Kunstwissenschaft, Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.
Summary
Olga Chernysheva (*1962 in Moscow) does not deal with concepts of “society” and “system” as abstract constructions. Instead, she starts with the individual in order to demonstrate how the smallest entity sustains and determines the sociopolitical structure—and is likewise sustained and determined by it. Foreign workers waiting, traveling salesmen, bustling market women, ladies wrapped in fur—the artist’s gift of observation, reinforced by empathy, is also reflected in the broad spectrum of her forms of expression: from film and photography to painting, watercolors, and drawing, each medium serves the nuanced depiction of her complex subjects while at the same time highlighting how worthy the “little people” are of being photographed against the backdrop of great upheavals. Unlike nineteenth-century Russian Realism or early Soviet films, Chernysheva does not make any kind of sociocritical accusations, and she is indifferent to media-specific experimentation.
Exhibition schedule: Kunsthalle im Haus zum Roten Ochsen, Erfurt, July 4–August 25, 2013