Read more
Die Suren der mittelmekkanischen Zeit setzen neue Schwerpunkte. Aus dem intimen Gespräch zwischen dem göttlichen Sprecher und dem mit »du« angesprochenen Verkünder entwickelt sich nun eine koranische Theologie. Sie basiert auf der Vorstellung immer wiederholten göttlichen Sprechens durch Propheten. In ihrem Bestreben, sich an diese biblische Prophetengeschichte und damit das Gottesvolk der Israeliten anzubinden, entwickelt die Hörergemeinde zunehmend das Bewusstsein, selbst zu den Erwählten zu gehören. Sie deutet biblische Geschichte, vor allem das Buch Exodus, typologisch und versteht daher ihre eigene Gegenwart nicht nur als Fortsetzung der Geschichte der von Mose geführten Israeliten, sondern als deren Neuinszenierung. Mose tritt als Vorbild für den Verkünder hervor: Nicht nur erfolgt seine Berufung unter ähnlichen Bedingungen wie die des Verkünders, auch Moses Exodus wird in einer wichtigen Transzendenzerfahrung des Verkünders neu inszeniert.
Suren der mittelmekkanischen Zeit kreisen um Erzählungen, die den Mittelteil einnehmen. Mit dieser Struktur greift die Gemeinde auf die Praxis der älteren Religionen zurück: Die Suren reflektieren nicht mehr nur liturgische Vorträge, sondern bilden vollständige monotheistische Gottesdienste ab, bei denen - vom jüdischen und christlichen Modell vorgegeben - Lesungen biblischer Texte in der Mitte zu stehen haben. Das neue Gottesvolk folgt dem älteren auch liturgisch nach.
About the author
Angelika Neuwirth, seit 1991 Professorin für Arabistik an der Freien Universität Berlin. Von 1994 - 1999 Direktorentätigkeit am Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Beirut und Istanbul, seit 2003 Mitarbeit an verschiedenen Fellowprojekten des Wissenschaftskollegs zu Berlin, zuletzt Europe in the Middle East, The Middle East in Europe. Seit 2007 ist Frau Prof. Neuwirth Projektleiterin des Corpus Coranicum; ebenso ist sie Beirätin des VdWR. 2013 wurde sie mit dem "Sigmund-Freud-Preis" ausgezeichnet und 2015 wurde ihr der "Leopold Lucas-Preis" verliehen.
Summary
Die Suren der mittelmekkanischen Zeit setzen neue Schwerpunkte. Aus dem intimen Gespräch zwischen dem göttlichen Sprecher und dem mit »du« angesprochenen Verkünder entwickelt sich nun eine koranische Theologie. Sie basiert auf der Vorstellung immer wiederholten göttlichen Sprechens durch Propheten. In ihrem Bestreben, sich an diese biblische Prophetengeschichte und damit das Gottesvolk der Israeliten anzubinden, entwickelt die Hörergemeinde zunehmend das Bewusstsein, selbst zu den Erwählten zu gehören. Sie deutet biblische Geschichte, vor allem das Buch Exodus, typologisch und versteht daher ihre eigene Gegenwart nicht nur als Fortsetzung der Geschichte der von Mose geführten Israeliten, sondern als deren Neuinszenierung. Mose tritt als Vorbild für den Verkünder hervor: Nicht nur erfolgt seine Berufung unter ähnlichen Bedingungen wie die des Verkünders, auch Moses Exodus wird in einer wichtigen Transzendenzerfahrung des Verkünders neu inszeniert.
Suren der mittelmekkanischen Zeit kreisen um Erzählungen, die den Mittelteil einnehmen. Mit dieser Struktur greift die Gemeinde auf die Praxis der älteren Religionen zurück: Die Suren reflektieren nicht mehr nur liturgische Vorträge, sondern bilden vollständige monotheistische Gottesdienste ab, bei denen – vom jüdischen und christlichen Modell vorgegeben – Lesungen biblischer Texte in der Mitte zu stehen haben. Das neue Gottesvolk folgt dem älteren auch liturgisch nach.
Additional text
»Es gelingt Neuwirth auf beeindruckende Weise, die sprachliche und theologische Einzigartigkeit des Textes auch dem nicht des Arabischen mächtigen Leser zu veranschaulichen.«
Report
»Die Arabistin Angelika Neuwirth setzt ihren großen Koran-Kommentar fort und betreibt die dringend notwendige Grundlagenforschung« Dirk Pilz Frankfurter Rundschau 20170711