Read more
Meist wird mit dem Wort 'Spielkarten' das gängige Standardbild mit älteren Königen, süßlichen Damen und kecken Buben assoziiert. Aus der Perspektive der Gender-Forschung, der sich diese Studie verpflichtet fühlt, sind sie Bildquellen, die der Rekonstruktion von Geschlechterbildern und -rollen dienen und Veränderungen im Geschlechterverhältnis aufzeigen.
Die Fokussierung der Arbeit auf die Anfangszeit des Kartenspiels an der Schwelle zur Frühen Neuzeit bedingt die Auswahl der Spiele: für die Lombardei das handgemalte Visconti-Sforza-Tarock (um 1450), für Frankreich die Spielkarten mit dem Topos der Neun Helden und Heldinnen aus Mythos und Geschichte, für Süddeutschland unter anderem das Stuttgarter Spiel (um 1430), ein 'Jagdspiel', das mehr über das Geschlechterverhältnis der Zeit als über die Jagd aussagt, sowie erste Darstellungen 'erotischen' Charakters auf Holzschnittkarten um 1500, die Nacktheit als Ausdruck der Geschlechterdifferenz thematisieren.
Werden die Kartenbilder ikonologisch, das heißt auch im Kontext mit anderen zeitgenössischen Quellen gedeutet, so 'verraten' sie viel über den Wandel bzw. die Konstanz der normativen Ordnung der Geschlechter und über die permanente Praxis des doing gender. Im Ausblick der Arbeit wird die Genese der Spielkarten bis ins 20. Jahrhundert fortgeführt, wobei Aspekte der Geschlechterthematik der Aufklärung wie des Feminismus pointiert zur Sprache kommen.
About the author
Dr. Ulrike Wörner, geboren 1945, studierte in München und Würzburg Germanistik und Geschichte. Nach einem Auslandsjahr am Goethe-Institut in Helsinki/Finnland arbeitete sie im Lehramt. Aus der Friedensbewegung kommend war sie für die Partei Die Grünen 1986 1990 Mitglied des Bayerischen Landtags, wo sie dem kulturpolitischen Ausschuss angehörte. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit heute liegen in den Bereichen der Kulturgeschichte und der Bildforschung zu Frauen- und Genderthemen.
Report
Die große Leistung dieser Studie liegt darin, dass sie eine umfassende Gesellschaftsgeschichte aus einer unbekannten Perspektive schreibt: aus der der Spielkarten. - Aus: Süddeutsche Zeitung vom 11. März 2011.