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Vor dem Hintergrund der im 18. Jahrhundert erstmals manifest werdenden funktionalen Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft wird das Verhältnis zwischen Literatur und Wissenschaft an Beispielen aus dem französischen (Diderot, Rousseau, Balzac, Flaubert, Zola, Proust, Houellebecq), deutschsprachigen (Goethe, Freud, Musil), italienischen (Vico, Manzoni, Pirandello, Svevo, Calvino, Del Giudice) und spanischsprachigen Bereich (Pío Baroja, Borges, Cortázar, Volpi) untersucht.
Dabei zeigt sich, dass es trotz der zunehmenden Trennung der Bereiche (die C. P. Snow auf die Formel der 'zwei Kulturen' gebracht hat) immer wieder zu poetologisch und epistemologisch aufschlussreichen Interferenzen von Literatur und Wissenschaft kommt. Während im 18. Jahrhundert literarische Texte noch einen Platz in der offiziellen Wissensordnung hatten, wächst im 19. Jahrhundert das Bewusstsein für die grundlegende Differenz der Bereiche. Aufgrund der Dominanz der Naturwissenschaften und des Positivismus versuchen literarische Texte seit Balzac sich durch die poetologische Funktionalisierung (natur-)wissenschaftlicher Modelle zu legitimieren. Im 20. Jahrhundert werden in der teilweise skeptischen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Modellen die Grenzen der Literatur ausgelotet.
About the author
Thomas Klinkert ist Professor für Romanistische Literaturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Moderne (Baudelaire, Proust, Pirandello, Claude Simon), des Zusammenhangs von Literatur und Wissen, der Liebessemantik, des Mittelalters (Chrétien de Troyes, Dante, Boccaccio) und der Literaturtheorie. In letzter Zeit hat er Folgendes veröffentlicht: Epistemologische Fiktionen. Zur Interferenz von Literatur und Wissenschaft seit der Aufklärung (2010), Das Fremde im Eigenen. Die Übersetzung literarischer Texte als Interpretation und kreative Rezeption (Hg., 2011), Proust in der Konstellation der Moderne (Hg., mit Sophie Bertho, 2013).