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Wer das Wort "Trend" liebt, darf es hier gebrauchen: Das Interesse an Gedichten in drei Zeilen steigt. Dabei fing alles so harmlos exotisch an. Für Gedankensplitter, die oft ironisch und scherzhaft hingeworfen wirkten, erfand der große japanische Dichter Bash , der "Heilige des Haiku", in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts die strenge dreizeilige Form mit 17 Silben. Der Inhalt wurde durch ihn anspruchsvoller - kleine Bilder aus der Natur dienten als Symbole für philosophische Gedanken. Als man bald darauf in Europa die fernöstliche Mode für Dekoration und Raumausstattung entdeckte, versuchte man auch die Haiku-Form in unsere Sprache zu übertragen. Deutsche Theoretiker haben inzwischen die Quellen genau analysiert und in gebührender Strenge einen Codex erarbeitet, an den sich ein Haikudichter zu halten hat. Auch Japaner haben längst begriffen, dass echte Haiku-Dichtung nur in Deutschland erlernt werden kann. Oswald Köberl zählt zur Gruppe der "Unbotmäßigen", denen der Formzwang der drei Zeilen zwar eine verlockende Herausforderung bedeutet, im Übrigen jedoch Gedankenfreiheit heilig ist. Er weiß, dass es nicht vieler Worte bedarf, um Wesentliches zu sagen, aber auch, dass man nicht immer das Schwergewichtige will oder verträgt. Oft genügt ein kleiner Anstoß, ein Aufblitzen, ein Farbtupfen. Da darf sich Ernstes mit Ironischem mischen und Aphorismen mit "echten" Haiku. So ist eine Sammlung entstanden, die zum Blättern und zum kurzen Verweilen einlädt. Als Reverenz an das Heimatland der Dreizeiler wird die Ausstattung des kleinen Buches mit Fotos fernöstlicher Kunst komplettiert.