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Mit der von ihm begründeten Wissenssoziologie zählt Karl Mannheim (1893-1947) zu den Klassikern der Soziologie. Auf dem Höhepunkt seiner Produktivität von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben, ist es ihm indes nie gelungen, eine eigene soziologische Schule zu gründen. Wilhelm Hofmanns Einführung stellt eine systematische Beziehung zwischen Mannheims Biografie und seinen wissenschaftlichen Analysen der Moderne her und zeigt, wie Mannheim seine Konzeption der »freischwebenden Intelligenz« als Antwort auf die kulturelle und politische Krise der Moderne entwickelte, die er als Krise des politischen Denkens begriff.
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Wilhelm Hofmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Technischen Universität München.
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"Hofmann zeichnet die Entwicklung von Mannheims Denken nach: Das gegen Ende des Ersten Weltkriegs verbreitete Bewusstsein einer Kulturkrise veranlasst den jungen Mannheim zum Nachdenken über die existentiellen Grundlagen des Politischen. Über verschiedene Zwischenstufen erarbeitet Mannheim seine Theorie der 'Seinsgebundenheit des Denkens', d.h. der Abhängigkeit politischer Grundannahmen vom gesellschaftlichen Standpunkt. Den Intellektuellen ist es aber möglich, diese Standpunktbindung zu überwinden, sodass sie eine Position über den sozialen Gegensätzen einnehmen können. Sie sind deswegen befähigt über die Gesellschaft im Ganzen nachzudenken und dabei auch praktische Lösungen zu erarbeiten. Die Erfahrung des Versagens der Intellektuellen in den Totalitarismen des Jahrhunderts veranlasst Manheim dann, statt auf die Binnenkommunikation einer Elite auf soziale Planung zu setzen, die demokratisch legitimiert sein muss. Ziel ist die Entwicklung einer tendenziell egalitären Gesellsch aft, die den Einzelnen dennoch ein möglichst großes Maß an selbstbestimmter Individualität ermöglichen soll.
Hofmann verweist auf die Unausgeglichenheit sozialistischer, liberaler und anderer Elemente im Denken Mannheims. Dabei werden die systematischen Schwächen der Gesamttheorie recht deutlich. Andererseits ist Mannheims Werk auch als Warnung vor falschen Alternativen deutbar. Denn rahmensetzende Planung einerseits und Schaffung von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten andererseits sind wesentliche Elemente einer Wirtschafts- und Sozialpolitik auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft. Diese Elemente müssen jedoch besonnen gehandhabt werden, damit das in ihnen enthaltene empfindliche Gleichgewicht von Regelung und bewusstem Verzicht auf Regelung nicht nach der einen oder anderen Seite verloren geht, wobei unsere Gesellschaft, ähnlich wie Mannheims Sozialtheorie, eher nach der Seite der Überregulierung tendiert.
Hofmanns Buch verbindet die präzise Darstellu ng eines soziologischen Klassikers mit Anregungen für das Nachdenken über Demokratie und Sozialstaat. Weil Demokratie auf sachbezogene Diskussion sozialer Grundfragen angewiesen ist, ist zu hoffen, dass der Beitrag, den dieses Buch hierfür leisten kann, nicht im Stimmengewirr der Meinungen untergeht." (Die Neue Ordnung)