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Die Wirkung der Schrift »Erkenntnis und Interesse« ging weit über die akademische Debatte hinaus und hatte auch unmittelbaren Einfluss auf den politischen Diskurs in den 70er Jahren. Denn die kritische Reflexion auf die vorgängig leitenden Interessen, die den Erkenntnisprozessen ihre Richtung geben, entzog der Kantischen Vorstellung den Boden, alle Erkenntnis beruhe allein auf der Selbstbestimmtheit des erkennenden Subjekts.»Ich verspüre keine große Neigung, Gegenstand einer nostalgischen Veranstaltung zu sein.« J.H.Die 1968 erschienene Schrift »Erkenntnis und Interesse« legte die Grundlagen für die von Jürgen Habermas seither in mehreren Schritten fortentwickelte »Theorie des kommunikativen Handelns«. Darin ersetzte er die einseitige Fundierung wahrer Erkenntnis in der transzendentalen Leistung des autarken Subjekts (Kant) durch den Rekurs auf den gesellschaftlich vermittelten Diskurs aller. Nach Habermas sind es daher vor allem »Interessen«, denen die Erkenntnis folgt und ohne die sie nicht möglich wäre. Im Anschluss an Marx, Dilthey und Freud zeigt er in dieser Schrift, dass es sich dabei um drei wesentliche erkenntnisleitende Interessen handelt, die jeweils einem fundamentalen Funktionskreis der materiellen Reproduktion der Gattung »Mensch« zugeordnet werden können: die technischen, die praktischen und die emanzipatorischen Erkenntnisinteressen.Auch wenn Habermas später einige der Grundannahmen seiner Schrift revidierte - so ersetzte er den Begriff des »Gattungswesens« durch den Begriff des »kommunikativen Handelns« - bleibt »Erkenntnis und Interesse« das grundlegende Werk, in dem die Gründe für den Übergang von den Antworten der Transzendentalphilosophie auf die Frage nach den Bedingungen möglicher Erkenntnis zur Theorie des kommunikativen Handelns plastisch herausgearbeitet werden; dies - wie Habermas rückblickend konstatierte - »nicht einmal schlecht komponiert und einigermaßen schwungvoll geschrieben«.Im Nachwort zur Neuausgabe gibt Anke Thyen einen Überblick zur Einführung in die Thematik und zur Wirkung des Werks und unterstreicht damit, dass die Aufnahme dieser Schrift in die 'Philosophische Bibliothek' keine »nostalgische Veranstaltung« ist.
Info autore
Jürgen Habermas, 1929 in Düsseldorf geboren, Philosoph und Soziologe, studierte Philosophie, Geschichte und Psychologie in Göttingen, Zürich und Bonn, wo er 1954 promovierte. Von 1956 bis 1959 war er Assistent am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main und nahm dort wesentliche Impulse der Frankfurter Schule auf. Aus ihrer Tradition hat er die seine weiteren Arbeiten strukturierende Fragestellung entwickelt, wie eine kritische Theorie der Gesellschaft beschaffen zu sein habe, die eine dem erreichten Stand sozialwissenschaftlicher Erkenntnis wie historischer Erfahrung angemessene Theorie der Demokratie darstelle. 1961 habilitierte er in Marburg und wurde auf ein Extraordinariat für Sozialphilosophie nach Heidelberg berufen. 1964 erhielt er eine Professur für Philosophie und Soziologie in Frankfurt am Main. 1971 wurde er, gemeinsam mit Carl-Friedrich von Weizsäcker, Direktor des "Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt" in Starnberg. 1982 folgte Habermas dem Ruf nach Frankfurt am Main auf eine Professur für Soziologie und Philosophie. Jürgen Habermas erhielt zahlreiche Ehrendoktorwürden und Preise, darunter den "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels" (2001), den "Kyoto-Preis" (2004) und den "Heine-Preis" (2012) "... für sein Lebenswerk, das durch freiheitliche Ideen der Aufklärung, seinen unermüdlichen Einsatz für ein demokratisch verfasstes Deutschland sowie seine streitbaren Beiträge zu den gesellschaftspolitischen Debatten Europas geprägt ist", so die Begründung der Jury. 2013 wurde Jürgen Habermas mit dem "Kulturellen Ehrenpreis" der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Außerdem wurde Jürgen Habermas mit dem Erasmus-Preis 2013 ausgezeichnet.
Relazione
»Ein philosophisches Buch wird zum Klassiker, sobald es in die Philosophische Bibliothek aufgenommen ist. So auch hier. Tatsächlich haben wir es mit der besten Ausgabe dieses Werks zu tun. Lohnend ist die Lektüre der Beigaben aus der Feder von Habermas selbst und von A. Thyen.« Prof. Dr. Bernhard Lang